Wer ein Unternehmen führt oder dort eine leitende Aufgabe wahrnimmt, muss tagtäglich vielfältige Entscheidungen treffen. Dabei wird man zwangsläufig auch mal einen Fehler machen – kein Mensch ist in der Lage, völlig fehlerfrei durchs private und berufliche Leben zu gehen. Fehler zeigen sich in den unterschiedlichsten Facetten: Mal ist es die schon angesprochene Entscheidung, mal ist es menschliches Fehlverhalten oder es liegt ein technischer Fehler vor. Die Auswirkungen können mitunter gravierend sein.
Oftmals sind es aber gerade auch kleinere Fehler, die viel Sand in das unternehmerische Getriebe streuen können. Doch das muss nicht sein. Im Gegenteil: Fehler können eine Bereicherung sein und die positive Entwicklung eines Unternehmens fördern — wenn man bereit ist, den Blick zu ändern.
In diesem Zusammenhang hat sich mittlerweile der Begriff „Fehlerkultur“ etabliert. Ganz glücklich gewählt ist er nicht, denn er verstellt den Blick. Es geht schließlich nicht darum, Fehler zu kultivieren. Andere mögliche Beschreibungen sprechen daher etwas treffender von Fehlermanagement- oder Feedbackkultur.
Fehler als Chance
Welchen Begriff man auch immer favorisiert, im Kern geht es immer um eine Frage: Wie gehen wir unternehmensintern mit Fehlern um? Werden sie unter den Teppich gekehrt oder aufgebauscht? Laut einer Umfrage von EY aus dem Jahr 2018 werden Fehler oft vertuscht, um der eigenen Karriere nicht zu schaden.
Wie wäre es, Fehler als Chance zu begreifen, um zu lernen? Zum Umgang mit Fehlern wird schon seit einigen Jahren geforscht. Unternehmen, die in Fehlern Potenzial für eine Weiterentwicklung sehen, scheinen daraus durchaus Kapital zu schlagen – etwa, wenn es um Qualitätsverbesserungen oder Innovationen geht.
Schritt für Schritt zum neuen Umgang
Patentrezepte dafür, wie Unternehmen erfolgreich eine Fehlerkultur entwickeln kann, gibt es nicht. Nachfolgend aber ein paar Impulse, die sich in meinen Augen bewährt haben. Sie können hilfreich sein bei den ersten Schritten auf dem Weg zu einem neuen Umgang mit Fehlern:
- Sensibilität entwickeln. Entscheidend ist eine grundsätzliche Bereitschaft, sich auf neues Terrain zu begeben und sich überhaupt auf das Thema Fehlermanagement einzulassen. Will man dafür eine Sensibilität entwickeln, muss man manchmal schon ein dickes Brett bohren, speziell in großen Unternehmen. Einfacher haben es kleinere Unternehmen und gerade Startups. Dort lässt sich ein entsprechender Spirit leichter verankern (wenn er nicht ohnehin schon da ist).
Alle Beschäftigten wird man dafür nicht begeistern können. Bei den Mitarbeiter*innen ist die Sorge oft groß, dass einem trotz aller Versprechungen doch ein Strick aus einem Fehler gedreht wird. In einem ersten Schritt kann es helfen, sich zunächst auf Abteilungen oder Unternehmensbereiche zu beschränken.
- Ziele formulieren. Das Ziel muss klar sein: Was soll ein Fehlermanagement überhaupt bewirken? Geht es darum, innovativer zu werden? Soll sich die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen verbessern? Will man das Arbeitsklima fördern?
Es gibt auch Bereiche, bei denen keine Fehler zu tolerieren sind, etwa bei der Arbeitssicherheit. Auch hier kann und sollte es ein Fehlermanagement geben, z. B. als Bestandteil eines Qualitätsmanagements. Das hätte dann ein anderes Ziel, nämlich um jeden Preis die Arbeitssicherheit zu gewährleisten.
- Fehlerkultur vorleben. Nicht wenige Unternehmen beschäftigen sich den lieben langen Tag mit sich selbst, entwickeln allerlei Visionen und Purpose und halten das dann auf vielen bunten Slides fest. Da taucht dann irgendwo vielleicht auch so etwas wie Fehlerkultur auf. Das ist nicht schlecht. Aber am Ende zu kurz gedacht. Fehlermanagement zu leben, bedeutet auch, sie vorzuleben. Hier sind vor allem Führungskräfte gefragt – gerade im selbstkritischen Umgang mit eigenen Fehlern.
- Einfach anfangen. Hilfreich ist es, zunächst einmal Stellschrauben zu identifizieren, die sich dafür anbieten, einen neuen Umgang mit Fehlern zu etablieren. Das kann bei Prozessen und Strukturen beginnen oder die Personal- und Führungskräfteentwicklung umfassen. Möglich ist es auch, bei den eigenen Werten anzusetzen, die sich ein Unternehmen auf die Fahne geschrieben hat.
Eine Fehlerkultur lässt sich nicht mal eben von heute auf morgen etablieren. Sie erfordert eine offene Diskussion. Kommunikation ist bei alledem der rote Faden. Das ist eine Herausforderung, doch die Mühe lohnt sich – nicht zuletzt, weil Mitarbeitende sich deutlich produktiver fühlen in einem Umfeld, das Fehler nicht bestraft, sondern als wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung ansieht.