Im Dschungel der Fachbegriffe?

HIER. ist der Kompass.

Experten-Interview mit André Niedostadek

Erfolgsfaktor Entscheidungsstärke?

Ja. Nein. Vielleicht. Ob beruflich oder privat, täglich müssen wir Entscheidungen treffen. Wie Entscheidungsstärke dich als Gründer*in erfolgreich macht und Tipps zum Trainieren, liest du im Interview mit Autor und Speaker André Niedostadek von der Hochschule Harz.

Entscheidungsstärke ist eine Fähigkeit, die es für das Führen eines Unternehmens dringend braucht. Unternehmer*innen müssen noch vor dem Gründen permanent Entscheidungen treffen. Welche Kompetenzen machen einen Menschen entscheidungsstark? 
Will man es auf einen ganz einfachen Nenner bringen, dann zeigt sich Entscheidungsstärke in drei Punkten, nämlich vor, bei und nach einer Entscheidung. 

Erstens erkennen entscheidungsstarke Personen vor einer wichtigen Entscheidung, ob eine Angelegenheit entscheidungsreif ist. Das kann ein echter Balanceakt sein. Man muss das Für und Wider abwägen. Die Gründung eines Unternehmens ist dafür ein gutes Beispiel. 

Zweitens zeigt sich Entscheidungsstärke in der Fähigkeit, schnell zu entscheiden. Es bringt überhaupt nichts, Dinge auf die lange Bank zu schieben und noch x-mal zu durchdenken. Schnelligkeit ist tatsächlich so etwas wie der Kern von Entscheidungsstärke. 

Und drittens ist entscheidungsstark, wer eine einmal getroffene Entscheidung nicht im Nachhinein ständig wieder hinterfragt und anzweifelt. Entscheidungsstärke hat so gesehen auch viel mit Verbindlichkeit zu tun. 

Welche Vorteile bringt Entscheidungsstärke persönlich und unternehmerisch?
Entscheidungsstärke ist eine echte Schlüsselqualifikation. Ja, vielleicht sogar eine der wichtigsten Kompetenzen überhaupt. Das gilt für einen persönlich ebenso wie für alle, die unternehmerisch aktiv sind, oder Führungskräfte in Unternehmen. Sie ist die Grundlage dafür, dass wir ins Tun kommen. Durch Entscheidungen können wir Chancen wahrnehmen, uns entwickeln und erfolgreich werden. 

Wie messen Sie Entscheidungsstärke?
Das ist gar nicht so einfach. Schlüsselqualifikationen wie Entscheidungsstärke lassen sich nur schwer messen. Hinzu kommt: Es kann durchaus sein, dass wir in manchen Bereichen sehr entscheidungsfreudig sind, uns in anderen Bereichen dagegen schwertun. Das kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung. 

Es gibt zwar verschiedene Ansätze, mit denen man seine Entscheidungsstärke sogar selbst analysieren und hinterfragen können soll, etwa mit Selbsttests. Aber deren Aussagefähigkeit scheint mir doch eingeschränkt zu sein. 

Hilfreich können Einschätzungen sein, etwa im Rahmen von Feedback- und Jahresgesprächen, wie man sie in Unternehmen kennt. Da helfen dann verschiedene Aussagen, wobei sich die Antworten ähnlich wie bei Schulnoten einschätzen lassen. Beispiele dafür sind etwa: Entscheidungen erfolgen unter Berücksichtigung von Alternativen und Konsequenzen, Entscheidungen werden zeitnah getroffen, Entscheidungen sind gut begründet, Entscheidungen werden umgesetzt. 

Ist Entscheidungsstärke angeboren oder kann man sie wie einen Muskel trainieren?
Es gibt Personen, die schon von Natur aus entscheidungsfreudiger sind als andere. Aber man kann Entscheidungsstärke tatsächlich trainieren. Dabei ist die Sache im Grunde wie bei jedem Training ganz einfach: Wer gut Fußball spielen will, muss auf den Fußballplatz, wer Klavier spielen will, muss an die Tasten und wer in Sachen Entscheidungsstärke besser werden will, muss immer wieder ins kalte Wasser springen und Entscheidungen treffen.

Worauf kommt es dabei an? Was gehört unbedingt zu einem Entscheidungsstärke-Workout dazu? 
Tipp 1: Mache dir wichtige Entscheidungssituationen klar und gehe in solche Situationen hinein, vor allem, wenn sie dir schwerfallen. Immer und immer wieder. Jeden Tag bewusst die eine oder andere herausfordernde Entscheidung treffen, trainiert ungemein.

Tipp 2: Vorbereitung ist die halbe Miete. Bereite also alles Nötige vor, um dann eine Entscheidung treffen zu können. Das können entscheidungsrelevante Unterlagen sein, oder Pro- und Contra-Listen mit Gründen für oder gegen eine Entscheidung. Ideen schriftlich festzuhalten, ist übrigens immer empfehlenswert.  

Tipp 3: Bestimme konkrete und möglichst kurze Zeitfenster, mit denen du festlegst, bis wann die Entscheidung zu treffen ist. Aber nimm dir die Zeit, die du brauchst, und lass dich nicht von außen beeinflussen. Entscheidungen unter Druck sind nicht eben die besten.

Tipp 4: Achte auch auf das Bauchgefühl. Je besser wir uns in einer Materie auskennen, desto eher dürfen wir bei Entscheidungen auf unsere Intuition vertrauen. Wo wir uns nicht so gut auskennen, ist es ratsam, sich klarer Entscheidungskriterien bewusst zu sein.

Tipp 5:Reflektiere immer wieder dein Entscheidungsverhalten: Was klappt gut? Was lässt sich verbessern?

Zum Abschluss vielleicht noch ein Bonustipp. Denn es sollen ja möglichst gute Entscheidungen werden. Gute Entscheidungen sind solche, die uns unseren Zielen näherbringen und unseren Werten entsprechen. Das sind zwei wichtige Orientierungspunkte, um Entscheidungen treffen zu können. Dazu muss man aber die eigenen Ziele und Werte erst einmal kennen. Wer die nicht hat, stochert im Nebel. Also: Beides zu definieren, hilft ebenfalls. Gerade bei unternehmerischen Entscheidungen.

„Die größte Fehlentscheidung ist, keine Entscheidung zu treffen.“ – Management-Weisheit aus dem Internet. Ist das so? Das würde ja bedeuten, es gibt gar keine falschen Entscheidungen?
Wenn man etwas gestalten will – und das setzt ja Entscheidungen voraus –, dann wäre es sicher ein Fehler, in wichtigen Angelegenheiten eine Entscheidung hinauszuzögern oder womöglich gar keine zu treffen. Klar besteht das Risiko, aufs falsche Pferd zu setzen. Insofern gibt es durchaus auch falsche Entscheidungen. Etwa, wenn sich später herausstellt, dass uns eine Entscheidung, anders als erwartet, doch nicht weitergebracht hat. 

Auf eine Sache darf man allerdings nicht hereinfallen, nämlich eine getroffene Entscheidung deswegen für falsch zu halten, weil man glaubt, man wäre mit einer anderen Entscheidung besser gefahren. Wir werden im Rückblick ja niemals mit Gewissheit sagen können, wie sich die Dinge etwas bei einer anderen Entscheidung entwickelt hätte. Insofern kann die getroffene Entscheidung tatsächlich nicht falsch sein. Anzunehmen, etwas hätte sich besser entwickelt, ist ja eine bloße Vermutung. Oder anders ausgedrückt: Kaffeesatzleserei.

Wie oder wann weiß man, was eine richtige und was eine falsche Entscheidung ist?
Ich muss meine Parameter für eine Entscheidung kennen. Messbare Ziele, aber auch eigene Werte sind hier wichtige Kriterien. Wie schon erwähnt, kann eine Entscheidung richtig sein, wenn sie mich auf ein bestimmtes Ziel hin weitergebracht hat. Und falsch, wenn das nicht der Fall ist. Übrigens: Eine Entscheidung kann sogar richtig sein, obwohl ich mein Ziel nicht erreicht habe. Dann nämlich, wenn ich dadurch meinen Werten treu geblieben bin.

Vielleicht noch eine Anmerkung zu einer falschen Entscheidung. Da hilft es ungemein, sich Klarheit darüber zu verschaffen, warum es denn überhaupt dazu gekommen ist. Vielleicht war ja unsere Entscheidungsgrundlage unzutreffend? Kann passieren. Dann muss man auch bereit sein, Korrekturen vorzunehmen.

Hat man ein Team, gilt es, Entscheidungen nicht nur mit sich auszumachen, sondern auch zu verkünden. Was sollte man dabei beachten?
Sicher ist es viel einfacher und angenehmer, positive Entscheidungen und gute Nachrichten zu verkünden. Ein Tipp dennoch: Es lohnt, einen passenden Rahmen zu finden, um die Entscheidung aufzuwerten. Ein Unternehmen zu gründen, ist sicherlich eine solche Entscheidung, die man durchaus zelebrieren darf.

Aber es gibt natürlich auch Entscheidungen, die mit schlechten Nachrichten verbunden sind. Hier hilft es nicht, auf Zeit zu spielen. Ich persönlich finde folgendes Vorgehen ganz hilfreich, weil es so einfach zu handhaben ist:

Schritt 1: Nenne die Entscheidung: „Ich/wir habe mich/haben uns entschieden…“

Schritt 2: Lege die wichtigsten Eckpunkte dar, die zu der Entscheidung geführt haben. Und das kurz und bündig, ohne irgendetwas schönzureden. Es bringt auch nichts, anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben oder selbst in eine Opferrolle zu schlüpfen. Da muss man Rückgrat zeigen, dass man eine Entscheidung so getroffen hat. Das schafft wiederum Verbindlichkeit.

Schritt 3: Wenn möglich, biete einen Ausblick: „Wie geht’s nun weiter…?“

Veröffentlicht am 13. Januar 2022

Interview: Anne Breitsprecher, André Niedostadek