Im Dschungel der Fachbegriffe?

HIER. ist der Kompass.

Pitch-Trainerin Bianca Praetorius im Interview

Nach dem Pitch ist vor dem Pitch

Bianca Praetorius ist seit 2012 Pitch-Trainerin. Sie bereitet vor allem Tech-Startups darauf vor, potenzielle Investor*innen in nur drei Minuten von ihren Geschäftsideen zu überzeugen. An über 2000 Pitchs hat die Expertin bereits mitgearbeitet. Warum Pitchs für Bianca wie erste Dates sind, wie sich Teams darauf vorbereiten können und warum sie die Show „Die Höhle der Löwen“ unrealistisch findet.
 

Kannst du dich noch an deine ersten Pitchs erinnern? Was würdest du heute anders machen?
Ich habe immer viel und schnell geredet, um meine Ideen zu erklären. Meistens hieß es danach, ich wirke sehr konfus. Das war super frustrierend. Ich meinem Kopf war ja alles total klar. Heute starte ich die Denkarbeit nicht erst, wenn ich den Mund aufmache. Ich gehe mit einer Struktur raus und spreche viel langsamer, als ich gerne würde. Ich zwinge mich, so langsam zu reden, dass ich es schon fast peinlich langsam finde. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man so besser verstanden und gesehen wird. 

Was sind die klassischen Anfängerfehler von Startups?
Es gibt zwei klassische Anfängerfehler. Bei einem Startup-Pitch hast du ja immer ein Slide-Deck dabei, also eine Präsentation. Die ist auch extrem wichtig. Doch der Anfängerfehler ist, Text auf den einzelnen Folien zu haben und entlang der Slides seine Idee zu erklären. Der Text in der PowerPoint oder PDF-Datei und der Vortrag aus dem Mund des Gründers oder der Gründerin konkurrieren miteinander. Ergebnis: Das Publikum bekommt gar nichts mehr mit. Sieht nicht nur nicht gut aus, es führt auch leider zu extrem viel Verwirrung. 

Ein weiterer Fehler, der gern von Leuten mit wenig Pitch-Erfahrung gemacht wird, ist, nicht genug aus der Sicht des Publikums zu denken. Ganz oft erklären Startups in ihren Pitchs, was sie technisch gemacht haben oder wie sie auf ihre Geschäftsidee gekommen sind. Alles spannende Fragen, aber überhaupt nicht interessant für Investoren. Es muss erst einmal eine Kennzahl auf den Tisch, die einem glaubwürdig macht, dass Menschen für das Produkt oder die Dienstleistung Geld in die Hand nehmen werden, um es zu kaufen. Und wenn das viele tun, wie groß ist der Markt? Um was für eine Chance geht es hier eigentlich gerade? Diese Fragen sollten unbedingt beantwortet werden. Falls nicht, ist die Sache aus Sicht der Investoren schnell erledigt. Diese Frustration erspare ich Leuten gern. 

Was unterscheidet einen Pitch von einem Verkaufsgespräch?
Möchte ich mein Produkt an einen Endkunden verkaufen, dann ist ein Pitch in einem Raum ein verschenktes Mittel. Damit erreicht man nicht genug Kunden. Eine gute Werbekampagne ist in diesem Fall sicher effizienter. Beim Pitch möchte man Leute von der Geschäftstüchtigkeit seiner Idee überzeugen, damit sie entweder Partner werden oder Co-Founder oder eben Investoren. Da muss ich einen anderen Blick auf die eigene Firma legen. Ich muss das Geschäftsmodell klar erläutern oder eine mögliche Wachstumsprognose darlegen. Im Verkaufsgespräch mit Endkunden sollten diese Aspekte besser nie vorkommen. Dennoch ist auch ein Pitch eigentlich ein Verkaufsgespräch. Ich verkaufe meine Idee und vermittle, dass es Sinn macht, in meine Firma zu investieren. Man sagt auch Sales-Pitch. 

Ich möchte jedoch noch etwas ergänzen: den Unterschied zwischen einem Pitch und einer Präsentation. Der ist total relevant. Bei einer Präsentation habe ich mir etwas erarbeitet und präsentiere das vor Leuten, die das hören wollen und erzähle so daher. Ein Pitch ist immer zeitlich begrenzt, darf dabei aber nicht oberflächlich sein. Er braucht gedanklich eine intellektuelle Schärfe. Es gilt, so präzise zu sein, dass du in drei Minuten einen Mehrwert generieren kannst, den andere in zehn generieren. 

Du hast dich auf Tech-Startups spezialisiert. Was ist für diese Teams die besondere Herausforderung beim Pitchen?
Was für Tech-Startups glaube ich besonders schwer ist: der Anspruch, es allen erklären zu wollen. Gleichzeitig hofft man als Gründer darauf, dass es den einen Menschen im Publikum gibt, der sofort versteht, was man tut und nur derjenige oder diejenige ist der richtige Investor. Die Realität sieht oft anders aus. Ganz wenige Investoren kennen sich zum Beispiel im Gaming aus, aber Gaming ist ein extrem großer, wachsender Markt. Einige Startups denken, wenn ein Investor nicht weiß, was die Streaming-Plattform Twitch ist, dann wollen sie mit dem gar nichts zu tun haben. Ich verstehe das, aber es ist eine verschenkte Chance. Als Gründer sollte man beim Pitchen sichtbar machen, dass man in der Szene drin ist, die man markttechnisch erobern will, dass man die Klaviatur der Fachbegriffe spielen kann. Da braucht es die Buzzwords. Man sollte sie jedoch nicht zu häufig verwenden, weil das effekthascherisch wirkt. 

Die Tonspur sollte präzise sein. Als Gründer musst du immer als der Experte auftreten. Die Investoren kommen ja zu dir, weil sie sich erhoffen, dass du etwas besser kannst als sie, damit sie dir Geld geben können und du etwas Großes aufbauen kannst. Dieses Auftreten gegenüber Venture-Capitalisten mit mehreren Millionen Euro erfordert Mut und Bescheidenheit gleichzeitig.  

Wie präsentiert man hoch komplexe Technologien in fünf Minuten?
Natürlich gibt es nicht das eine Rezept. Wenn ich drei Minuten habe und ich weiß, dass ich ein Geschäftsmodell mit verschiedenen Einnahmequellen erklären möchte, das einen hohen Komplexitätsgrad hat, dann kann ich das nicht runterkürzen. Das mindeste, was ich machen kann, ist eine Art Sendung-mit-der-Maus-Narrativ produzieren. Vielleicht eine Animation als Unterstützung, die die Idee Schritt für Schritt erklärt. Es bedarf einiger Fleißarbeit zu gucken, welche Informationen ich weglassen und trotzdem noch alles Wichtige rüberbringen kann. Welche Punkte muss ich vielleicht sogar doppelt ansprechen, damit sich Argumente einprägen, obwohl ich keine Zeit habe? Bei welchen Infos reicht es, wenn sie erst im Nachgang geklärt werden? Das ist das Schöne bei einem Pitch: Es ist ja nur ein erstes Date. 

Ein Pitch vor einem Investor, wie bei der Höhle der Löwen, der existiert in der freien Wildbahn überhaupt nicht. Keiner sagt dir direkt nach dem Pitch einen Deal über 500.000 Euro für 20 Prozent zu. Das existiert null. Das Best-Case-Szenario nach einem Pitch ist ein Folgetermin mit einem Investor, der die Geschäftsidee interessant fand. Dann hat man schon gewonnen. 

Was sollten Startups zu einem Pitch-Training mit dir unbedingt schon mitbringen?
Die Basis ist ein Pitch, bei dem die Teams das Gefühl haben, dass der so funktioniert. Es braucht mindestens ein skizziertes Slide-Deck. Die Überlegungen, was die Startups grundsätzlich sagen möchten, zum Beispiel ob sie mit dem Problem anfangen, das ihre Geschäftsidee löst, oder mit der Team-Vorstellung oder dem Produkt, sollten schon stattgefunden haben. Die Slides sollten auf gar keinen Fall ein schönes Design haben. Das ist verschwendete Liebesmüh, ich nehme die Präsentation garantiert auseinander (lacht).

Wie gehst du dann beim Coaching vor?
Ich bin kein Coach, der durch Fragen die Teilnehmer empowert. Ich bin eher eine Art Dompteurin. Die Startups pitchen und ich höre mir das an. Dann lasse ich das durch meinen inneren Fleischwolf laufen, spucke Ideen aus, wie der Pitch mehr Sinn machen würde. Da ich den großen Vorteil habe, von außen zu kommen, bin ich radikal beim Kürzen.

Wir gehen danach meistens Slide für Slide durch und schieben die Informationen so umher, dass der Pitch von Anfang an das Interesse weckt. Wir stehen meistens dabei, weil die Teams auch beim Pitchen vor der Slide stehen. Wir reden über die Körpersprache, die Stimme, wo es gut wäre, eine Pause zu machen oder wo man einen Satz vielleicht noch mal in einer anderen Stimmfarbe sagen oder flüstern könnte. Der Arbeit an der Performance und dem audiovisuellen Eindruck, die kommt als Sahnehäubchen obendrauf, wenn der Pitch inhaltlich steht.  

Wann ist ein Startup bereit für die Pitch-Bühne?
Das spürt man schon ein bisschen. Ein gutes Zeichen in meinem Coaching ist, wenn ein Team gepitcht hat und alle im Raum das Gefühl haben: Daran würde ich jetzt einen Haken setzen. Aber beim Pitchen gibt es nie den einen Erfolgsmoment. Du pitchst nicht und dann hat es einfach funktioniert. Von der Gründungsidee bis zum Exit wirst du tausend Mal deine Firma pitchen. Von dem Moment, in dem du dich nicht bereit fühlst, würde ich immer empfehlen, sofort rauszugehen und zu pitchen. Was passiert im schlimmsten Fall? Man legt eine Bauchlandung hin und jemand sagt, die Idee ist uninteressant. Was man dabei an Erfahrung mitnimmt, ist total wichtig. Immer sofort die Hände schmutzig machen.

Was gehört zur Nachbereitung eines Pitchs?
Der Vorteil an den live gehaltenen Pitchs ist, dass man die Leute im selben Raum hat, digital oder offline. Das heißt, man hat die Chance, sich Feedback direkt einzuholen. Wenn nach einem Pitch-Event keine Anfragen kommen, würde ich die potenziellen Investoren anschreiben. Ein guter Einstieg wäre etwa: „Meine Idee hat sie ja nicht so interessiert, was völlig okay ist, ich würde nur gerne verstehen, warum. Ich möchte dazulernen.“ Das Feedback wird jeder gerne geben, vorausgesetzt, es hat eine individuelle Ansprache und ist kein Massenmailing. 

Du machst das jetzt schon einige Jahre. Hat sich das Pitchen in der Zeit verändert?
Es ist schwieriger geworden, auch weil Entrepreneurship sich verändert hat. Vor zehn Jahren brauchte man nur eine Idee und einen Laptop und konnte eine Firma aufbauen. Es gab nur Websites und keine Apps oder Communitys. Du konntest jeden Aspekt des Lebens nehmen und ihn zu einem digitalen Geschäftsmodell umwandeln. Das ist in den vergangenen Jahren für fast alles geschehen. Der Goldrush ist vorbei.

Es gibt es eine viel höhere Anforderung an die Gründer. Die Frage ist: Wie kann man sich innerhalb dieser bereits existierenden Nischen durchsetzen? Was an meinem Produkt ist wirklich besser? Oder kann ich vielleicht auch Schnittstellen bauen, um ein Ökosystem aus bereits bestehenden Produkten entstehen zu lassen? Solche verbindenden Elemente sind heute viel wichtiger als noch vor zehn Jahren. Kommunikationsdienste wie Slack, Teams oder Zoom sind auch noch nicht so alt, aber heute braucht keiner mehr auf die Idee kommen, so etwas zu bauen. Da gibt es einen Platzhirsch. 

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Ich habe das Gefühl, den krass schönsten Job der Welt zu haben. Ich arbeite mit Startups aus dem Fintech-, dem Medtech- und dem Femtech-Bereich zusammen. Das alles sind Industrien, die unser Lebensumfeld ausmachen. Die Startups aus den Branchen wollen Entwicklungen nach vorne treiben, verbessern und erneuern. Dadurch habe ich ein wahnsinnig optimistisches Weltbild. 
 

Mehr Infos gibt es HIER: www.biancapraetorius.com

Interview: Anne Breitsprecher
Foto von Bianca Praetorius: Andi Weiland