Du bist nicht allein.

HIER. inspirieren dich andere.

Zaunkönig: Eine Marke, die verbindet

Ursula Schreck entwickelt schöne Dinge, die für Kinder und Erwachsene funktionieren und die Fantasie anregen. Ein Stuhl, auf dem man nur sitzen kann? Wie langweilig! 

Halle (Saale). Egal, was ihr vorhabt, zusammen ist schöner – für viele Menschen ist dieser Gedanke mit Beginn der Corona-Pandemie zur neuen Sehnsucht geworden. Ursula Schreck hat ihn zum Slogan ihrer Marke Zaunkönig gemacht, die sie 2018 in Halle (Saale) gründete.

Dabei begleitet sie der Satz schon deutlich länger. „Mir ist neulich eine Karte in die Hände gefallen, die ich in einem Schullager geschrieben habe“, sagt die heute 40-jährige Ursula. „Ich muss so in der achten oder neunten Klasse gewesen sein. In schöner Schreibschrift steht darauf: 'Eigentlich macht mir alles Spaß, solange man es gemeinsam macht.' Ich glaube, dieses verbindende Element ist heute auch der Kern vom Zaunkönig.“

Ästhetisches und Funktionales für Groß und Klein

Welten zu verknüpfen, Kinder und Erwachsene auf Augenhöhe zu bringen, Dinge zu schaffen, die nicht ihren Sinn verlieren, wenn Kinder wachsen – das treibt Ursula an. „Ich möchte Produkte entwickeln, die funktional sind für Kinder, aber mit ihrer Ästhetik auch uns Erwachsene einfangen“, sagt die gebürtige Münchnerin. 

Eines dieser Produkte ist der namensgebende Zaunkönig. Ein zeitlos gestaltetes Möbel mit drei Funktionen: Mal ist er Hochstuhl, mal eine Bank, und auch in einen Lernturm kann sich der Zaunkönig verwandeln. Für alle Varianten muss man ihn nur drehen. Kein Klicken, kein Schrauben, kein Kunststoff. „Dafür viel Liebe zum Detail und Holz aus nachwachsender Forstwirtschaft“, sagt Ursula.


Im Handumdrehen zum Mehrwert

Entstanden ist die Idee zum Zaunkönig in ihrer damaligen Küche in München. Ihr Sohn war noch klein und hatte einen Hochstand, auf dem er nur stehen konnte. „Ich habe damals sehr viel mit meiner Nachbarin und den Kindern gekocht. Zum Essen mussten wir immer die Kinderstühle durchs Treppenhaus tragen.“ Irgendwann habe sie den Hochstand angeschaut und gedacht: Wie cool wäre es, wenn man ihn einfach umdrehen könnte, und man hätte noch einen Hochstuhl. 

Der Prototyp entstand aus Pappe und Klebeband. Die prägnante Rückenlehne hatte der Zaunkönig da schon. Auch das faltbare Sitzkissen war Teil der ersten Entwürfe. Als Unterstützung im Rücken macht es das Sitzen im Hochstuhl bequem. Als Auflage macht es den quer gelegten Zaunkönig zur Bank.

„Dass das funktioniert, ist eine mathematische Frage“, so Ursula. „Ich bin ein recht analytischer Mensch. Ich habe mir gedacht, das müsste doch passen. Dann habe ich es einfach versucht. So entstehen oft Dinge bei mir: Ich komme über das Ausprobieren ins Machen.“ Unterstützung bekam die studierte Betriebswirtin von einer guten Freundin, die Industrie-Designerin ist. Die Umsetzung übernahm ein befreundeter Tischler. Fertig war das 3-in-1-Möbel. 

Was eigentlich für die eigene Familie konzipiert wurde, sorgte auch im Bekannten- und Freundeskreis für Begeisterung. Immer häufiger hörte Ursula die Frage: „Wow, wo kann man das kaufen?“ Das machte Mut und Lust auf mehr. Doch gründen?

„Ich glaube, ich wollte nie so dringend gründen, dass ich alles von mir geworfen hätte, nur um selbstständig zu sein“, sagt sie. „Nicht das Gründen war der Anstoß, sondern die Idee. Ich denke, genau daraus entsteht das Quäntchen Leidenschaft, das man braucht, um erfolgreich zu sein und durchzuhalten.“ 


Neue Stadt, neues Netzwerk, eigene Firma

Ihr Unternehmen sei „zum Glück“ organisch gewachsen. Schritt für Schritt. Jahr für Jahr. Zwischen der Idee und der Gründung lagen eine zweite Schwangerschaft und ein Umzug nach Halle an die Saale. Für ihren Mann hatte sich in Sachsen-Anhalt eine spannende berufliche Möglichkeit aufgetan und Ursula begann, sich in der neuen Stadt ein eigenes Netzwerk für ihren Zaunkönig aufzubauen. Beinah fließend kam eins zum anderen.

„Mein Mann kannte genau eine Person hier in Halle“, sagt Ursula. „Und die hatte einen Beitrag in der ‚Mitteldeutschen Zeitung‘ gelesen, in dem es um eine neue Akademie für Frauen ging, die gründen möchten.“ Die Kopie des Beitrags kam per Mail und Ursula zur BPC Unternehmerinnen Akademie. „Was ich zu diesem Zeitpunkt gesucht habe, war ein Arbeitsort, wo sich andere Menschen mit ähnlichen Gedanken treffen. Weil ich den Austausch liebe, weil ich den Austausch brauche“, sagt die Gründerin. Der wegweisende Tipp einer Mitarbeiterin der Akademie: das Designhaus

„Nicht das Gründen war der Anstoß, sondern die Idee. Ich denke, genau daraus entsteht das Quäntchen Leidenschaft, das man braucht, um erfolgreich zu sein und durchzuhalten.“ – Ursula Schreck

Gestaltung und Design als Wegbegleiter

Im Existenzgründerzentrum der Kunsthochschule Burg Giebichenstein werden regelmäßig Büros ausgeschrieben. Ursula stellte sich und den Zaunkönig vor – zu diesem Zeitpunkt war sie hochschwanger. Sie bestand das Auswahlverfahren und hatte nach ihrer Elternzeit ihren Firmensitz neben regionalen Startups und Designer*innen. 

In Martin Büdel, dem Leiter des Designhauses, fand Ursula einen Mentor. Er vermittelte sie an die Stuhlbaufirma im Erzgebirge, die heute ihren Zaunkönig in liebevoller Handarbeit herstellt. Immer wieder begegnen der Gründerin „begeisterte, unterstützende Menschen, die an ihre Idee glauben“ und sie weiterbringen. Immer wieder schafft Ursula neue Verbindungen – auch durch ihre offene Art. 

Das Thema Design hat die Münchnerin auf ihrem Weg stets begleitet. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit dem Zusammenhang von Markenkommunikation und Architektur. Später als Marketingleiterin der Firma Brainlab spielte Gestaltung ebenfalls eine große Rolle. Das Medizintechnik-Unternehmen brachte das Thema Design als eine der ersten Firmen mit ihren Geräten auch in den OP. 

Im Vorteil bei der Gründung

Dass sie einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund hat, sei ein großer Vorteil in der Gründung gewesen, sagt Ursula. „Ich habe viele grundlegende Themen vorausgedacht und abgehakt, bevor sie relevant wurden. Eine der ersten Fragen war, ob der Preis funktioniert.“

Sie machte sich außerdem früh Gedanken darum, ob der Zaunkönig über den Handel verkauft werden soll. „Ich freue mich sehr, dass er nun bei Manufactum zu haben ist. Das war immer eines meiner großen Ziele. Er passt einfach perfekt in den Mix aus hochwertigen und außergewöhnlichen Produkten“, so die Unternehmerin. Das „Warenhaus der guten Dinge“ mit eigenem Online-Shop biete Einzelunternehmen eine gute Möglichkeit, schnell sichtbar zu werden. Und doch ist sie froh, dass sie von Anfang an auch einen eigenen Webshop aufgebaut hat. Für Ursula ein Grund, warum sie und der Zaunkönig bisher ganz gut durch die Corona-Krise gekommen seien. 

Ein weiterer Vorteil im Gründungsprozess: Halle. „Ich glaube, Halle ist ein guter Gründungsstandort, weil gewisse Kosten hier einfach nicht so hoch sind“, sagt Ursula. „Um in München zu gründen, musst du alles auf eine Karte setzen, schneller sein und kannst dir wahrscheinlich nicht erlauben, so natürlich zu wachsen, wie ich das gemacht habe.“ 


Sachsen-Anhalt – zwischen Subkultur und Gemächlichkeit

In Sachsen-Anhalt gab es für das Projekt Zaunkönig viel Unterstützung und Wertschätzung. Ursula erhielt das Gründerstipendium ego.-START, das sie ein Jahr lang finanzierte. Sie freut sich über die künstlerische Szene und Subkultur mit der Einfach-mal-machen-Mentalität. „Da kann ganz vieles entstehen, was in größeren Städten nicht möglich ist“, so Ursula. 

Es gebe eine große Menge an Angeboten für Gründer*innen, doch manchmal wünsche sie sich eine größere Qualität und etwas weniger Gemächlichkeit. Warum denn nicht mal Star-Speaker*innen in die Stadt holen? Halle könnte sich ruhig mehr trauen, findet die Unternehmerin. 


Gemeinschaft, Glaube und die große Idee

Sie selbst traut sich mit dem Zaunkönig immer weiter. Angetrieben von der Frage: Was im Leben könnte besser klappen? Das jüngste Produkt – ein handgefertigtes Geschirr aus Porzellan, das besonders gut für Kinder zu greifen ist – entstand mit den Designhaus-Nachbar*innen vom Studio Spolek.

Spolek ist tschechisch und bedeutet „Gemeinschaft“ oder „Bund“. Schicksal oder schöner Zufall? „Ich finde, Zufall klingt so nichtssagend, weil das irgendwie suggeriert, dass man keine Strategie verfolgt und nur das macht, was einem das Leben so zuspielt“, sagt Ursula. „Ich glaube eher, dass die große Idee im Kopf filtert, was du wahrnimmst. Deswegen begegnen dir die Dinge, die dich weiterbringen, wenn du selbst daran glaubst.“

Veröffentlicht am 4. März 2021

Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow