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Ostkarte: Schöne Grüße aus Halle und Leipzig

Aus ihrer Sehnsucht nach Halle (Saale) haben sich Britta und Gregor Wansa im fernen Australien Strich für Strich eine Geschäftsidee designt.  

Halle (Saale). Die Postkarte ist der analoge Gruß aus dem Urlaub, eine schöne Erinnerung oder die kleine Überraschung im Briefkasten, die sagt: Ich denk an dich. Britta und Gregor Wansa dachten vor allem an ihre Heimatstadt Halle (Saale), als sie 2020 mit Ostkarte starteten.

Das Geschäftsmodell des Ehepaars: „Wir zeichnen Motive von Halle digital und verkaufen sie als Postkarten, Kunstdrucke, Kalender oder Notizblöcke“, sagt Gregor. „Wir sind inspiriert von Vintage-Travel-Postern der 1960er Jahre“, so Britta. „Unsere Designs haben eine gewisse Retro-Ästhetik, sehr klare Linien und es gibt sie in verschiedenen Farbkombinationen.“

Halles Pauluskirche thront etwa in Rosa auf dem Hasenberg. Das Händeldenkmal gibt es vor kirschrotem Hintergrund und auch das Nordbad und die Peißnitzbrücke verwandeln sich unter dem Label Ostkarte in farbenfrohe, aufs Wesentliche reduzierte Grafiken. Damit treffen die beiden einen Nerv bei allen, die es bunt mögen.


Brittas und Gregors Gespür für Motive

Ich hätte schon gedacht, dass unser Stil eher jüngeren Leuten gefällt, aber letztendlich sind unsere Kunden wirklich auch bunt gemischt“, sagt die 28-jährige Britta. „Es ist gerade, wenn wir auf Märkten sind, immer interessant zu sehen, wie Menschen auf unsere Illustrationen reagieren. Welche Assoziationen und Erinnerungen sie mit den Orten verbinden.“ Vom ersten Sprung vom Zehner bis zur Liebesgeschichte sei alles dabei.

Für das Ostkarte-Duo sind diese Gespräche Inspiration und Bestätigung zugleich. Das Feedback zeigt, dass sie bei der Wahl ihrer Motive ein gutes Gespür beweisen. Neben bekannten Sehenswürdigkeiten illustrieren sie auch beliebte Treffpunkte ihrer Stadt. „Es sind vor allem Orte, mit denen wir selbst etwas verbinden und die wir auch architektonisch spannend finden“, sagt Gregor, 30 Jahre. Mit der Pauluskirche fing alles an, jedoch nicht in Halle, sondern in Australien.


Heimweh in Down Under

Dort verbrachte das Paar gerade ein Jahr Work-and-Travel, als die Corona-Pandemie die Welt auf den Kopf stellte und auch in Down Under ein Lockdown verhängt wurde. Statt zu reisen, strandeten die beiden zwei Monate im idyllischen Küstenort Byron Bay.

Statt auf Kiwi-Farmen auszuhelfen, erfassten sie online Daten für Firmen oder arbeiteten journalistisch. „Wir hatten ein wenig Heimweh und dachten viel an unsere Eltern und unser Zuhause“, sagt Britta. Keiner habe gewusst, was als Nächstes passieren würde. „Da haben wir angefangen, unsere Lieblingsorte aus Halle auf dem iPad zu zeichnen.“


Aus Liebe zu Architektur und Kunst

Das digitale Illustrieren war für Gregor zu dem Zeitpunkt eine neue Leidenschaft, noch kein Beruf. Als Wirtschaftsingenieur für Bau hatte er jedoch Erfahrung im technischen Zeichnen. Britta studierte Kunstgeschichte im Bachelor, bevor sie sich im Master in London auf den Kunstmarkt und Museen spezialisierte.

Das gemeinsame Interesse des Paares für Architektur und Kunst, fürs kreative Gestalten und fürs Machen gipfelte schließlich in Ostkarte, dem Wortwitz, der eines Abends auf dem Sofa in Australien entstand und sich Motiv um Motiv zur guten Idee entwickelte.

„Das Gute war, dass wir sehr ressourcenarm starten konnten. Das iPad hatten wir schon. Alles andere hat fast nichts gekostet, außer unserer Zeit.“ — Gregor Wansa

Zurück in Halle machte das Paar aus dem Spaß Ernst. „Im November 2020 haben wir uns gesagt: Jetzt ziehen wir es durch“, sagt Gregor. „Wir haben eine Grafik nach der anderen fertig gezeichnet und einen Monat später unseren Online-Shop gestartet.“ Kurz vor Weihnachten gab es 12 Ostkarte-Motive und eine eigene Website. „Wir dachten, Freunde und Verwandte würden ein paar Kalender kaufen, aber es lief wirklich gut“, so Britta.


Freiheit der Freiberuflichkeit

Ihren Lebensunterhalt bestritten sie wie schon in Australien freiberuflich mit Online-Jobs. Seine Freizeit investierte das Paar jedoch in die eigene Geschäftsidee. „Das Gute war, dass wir sehr ressourcenarm starten konnten“, sagt Gregor. „Das iPad hatten wir schon. Alles andere hat fast nichts gekostet, außer unserer Zeit.“

Was noch dafür sprach, es mit einer Selbstständigkeit und mit Ostkarte zu versuchen: Die Freiheit, sich ihre Tage selbst einzuteilen und die Möglichkeit, zusammen arbeiten zu können. Beides hatten sie während ihrer Work-and-Travel-Zeit schätzen gelernt und erkannt, dass sie auch beruflich ein gutes Team sind. „Ich glaube, wir sind ziemliche Gegenpole auf vielen unterschiedlichen Ebenen“, so Britta. Während sie sehr impulsiv sei und am liebsten alles sofort umsetzen wolle, lasse es Gregor ruhiger angehen. „Wir ergänzen uns immer in den richtigen Momenten.“


Teamwork ist alles

Gregor ist bei Ostkarte für die Illustrationen und die Steuern verantwortlich und Britta kümmert sich um den Online-Shop und Social Media. Für neue Motive begeben sie sich immer gemeinsam auf Fototour. Die beiden lichten neue Objekte ganz genau ab, bevor es ans Illustrieren geht.

Die finale Farbauswahl ist ebenfalls echtes Teamwork. Was es beim Gründen zu beachten gibt, recherchierten sie im Internet. Hilfe von außen nahmen sie dabei nicht in Anspruch. Vieles wie die Erstellung der Website und des Shops sei für das Gründerpaar durch entsprechende Tools ganz intuitiv gewesen.


Online und offline erfolgreich

Einer der ersten Meilensteine war die Aufnahme der Ostkarte-Produkte in das Feingemacht, einen Shop für regionale Kunst und Designobjekte in Halle. „Wir haben uns beworben und waren uns nicht sicher, ob wir überhaupt eine Chance haben“, sagt Britta. „Dass es dann geklappt hat, war eine große Bestätigung.“

Auch Buchläden konnten die Gründer*innen von ihrer Alternative zur herkömmlichen Fotopostkarte überzeugen. Der Mix aus online und analogem Shop und die Erweiterung um Motive aus Leipzig, wo Britta und Gregor studiert haben, sorgen seither dafür, dass sich Ostkarte auch finanziell trägt.

Aufmerksamkeit und kostenlose Werbung gibt es zudem über soziale Medien. Für das Netzwerk Instagram, das den Fokus auf Bilder und Videos legt, sind die Grafiken und die Geschichten darüber wie gemacht. „Was mir bei Social Media gut gefällt ist, dass man eigentlich auch ab Tag eins nach Feedback fragen kann“, so Britta. „Wenn man sich mal nicht sicher ist bei einer Farbgebung, machen wir eine Abstimmung auf Instagram und dann ist es entschieden.“


Heimatstadt mit Potenzial

Obwohl Ostkarte einen starken regionalen Bezug hat, würde das Geschäftsmodell den weit gereisten Gründer*innen erlauben, von überall auf der Welt zu arbeiten. Dass sie sich für Halle als Firmenstandort entschieden haben, hat gleich mehrere Gründe. „Wir waren halt eine Zeit lang im Ausland und haben gemerkt, dass es reicht“, so Gregor. „Wir kommen beide aus Halle. Unsere Familien leben hier und wir mögen Halle. Wir haben das Gefühl, die Stadt hat viel Potenzial und dass wir als Kreative hier im weitesten Sinne mitgestalten können.“

Noch etwas sprach für die Rückkehr an die Saale. „Wenn ich mir vorstelle, nach Hamburg, Berlin oder München zu gehen, ist da natürlich die Konkurrenz viel größer oder man geht viel mehr unter zwischen allen Kreativen“, so Britta. „Man hätte auch aufgrund höherer Lebenshaltungskosten viel weniger Raum, sich auszuprobieren.“


GbR für noch mehr Möglichkeiten

Manchmal müssen die beiden sich jedoch fast kneifen, damit sie glauben können, dass Ostkarte real geworden ist. Doch dann sind da auch schon viele neue Ideen: neue Motive aus einer neuen Stadt oder aus Nationalparks im Osten. Neue Drucktechniken. Ein eigener Laden in Halle. Zum Kneifen bleibt keine Zeit.

Da das Unternehmen immer mehr der gemeinsamen Zeit in Anspruch nahm, gründeten Britta und Gregor Anfang 2022 die Studio Ray GbR. In diesem Rahmen nehmen als Grafiker*innen Aufträge für Kund*innen an und arbeiten weiter an Ostkarte. Sorge, dass die Postkarte angesichts der zunehmenden Digitalisierung ausstirbt und die Nachfrage abebbt, haben sie nicht.

„Wir mögen Postkarten sehr“, sagt Britta. Im Urlaub kaufe sie immer die besten Motive doppelt – einmal zum Verschicken und einmal zum Behalten. „Plattenspieler sind wieder in, obwohl es Spotify gibt. Leute fotografieren gerne wieder analog“, so die Gründerin. „Menschen greifen gerne auf traditionellere Medien zurück, gerade wenn andere Medien immer schnelllebiger werden. Ich glaube, das wird nie aufhören.“

Veröffentlicht am 28. Oktober 2022

Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow