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Malchert-Uhren: Handwerk als Familientradition

Uhrmachermeister Daniel Malchert findet in Quedlinburg zu sich und seinem Unternehmen.

Quedlinburg. Fachwerkhäuser, verwinkelte Gassen, Kopfsteinpflaster – schlendert man durch Quedlinburg mit seiner über 1000-jährigen Geschichte, ändert die Zeit ihren Takt. Uhrmachermeister Daniel Malchert zu fragen, warum er in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist und dort sein Unternehmen gegründet hat, erübrigt sich beinahe. „Sie sehen es ja selbst“, sagt er und lacht.

Von Meisterhänden gemacht

Ein großes Holztor gewährt den Zugang zu einem malerischen Innenhof mit einer Bank im Zentrum, die zum Verweilen einlädt. Daran angrenzend, zwischen alten Wänden, die hochmoderne kleine Werkstatt und das Büro des Handwerksmeisters. Dort findet er die nötige Ruhe, um Mechaniken mit bis zu 300 Einzelteilen zu reparieren oder an seinen eigenen Kreationen zu bauen.

Das Modell Schlossberg, benannt nach einem Wahrzeichen Quedlinburgs, brachte Daniel 2013 auf den Markt. Ein mechanisches Wunderwerk mit elegantem Design und faszinierendem Innenleben, in dem die Begeisterung für über hundert Jahre alte Techniken steckt. Massenfertigung ist hier Fehlanzeige. Alles ist von Meisterhänden gemacht, vom Glashütter Rohwerk, das er exklusiv verwenden darf, bis zur Gravur auf dem Boden. Daher dauere es auch etwa vier Monate, bis man eine echte Malchert-Uhr sein Eigen nennen kann. Aber seine Kund*innen seien geduldig, sagt Daniel.

Schon Urgroßvater und Großvater Malchert waren Uhrmacher in Quedlinburg. Eine Straße weiter verkauft Daniels Vater unter dem gemeinsamen Namen seit den 1990er-Jahren Uhren und Schmuck. Und trotzdem führte genau diese Familientradition den Nachwuchs erst einmal nach Sachsen.


Über Umwege nach Glashütte

„Ich wusste früh, dass ich auch Uhrmacher werden möchte“, erinnert sich Daniel. „Schon in der 8. Klasse habe ich mich in Glashütte beworben, weil ich unbedingt dort lernen wollte, wo mein Großvater seinen Meister gemacht hat.“ Bereits seit 1845 fertigt man Präzisionsuhren in der Kleinstadt im Osterzgebirge. Doch zur Vollzeitausbildung an der renommierten Schule wurden nur Bewerber*innen aus Sachsen akzeptiert.

„Da war ich natürlich am Boden zerstört“, erinnert sich der heute 39-Jährige. Er hatte bereits eine Zusage für eine Uhrmacher-Ausbildung in Hamburg, da kam aus Glashütte der Tipp: Ein Wohnsitzwechsel könnte helfen, den Platz zu bekommen. Als die Adresse von Bekannten aus Sachsen auf dem Absender stand, veränderte das alles. Daniel bekam einen von 15 Ausbildungsplätzen und überzeugte mit einer schnellen Auffassungsgabe und seiner ruhigen, gewissenhaften Art.

„Mein Lehrmeister war kurz vor der Rente. In einem Vieraugengespräch legte er mir nahe, auch Lehrer zu werden“, erinnert sich der Quedlinburger. „Dafür war ich aber noch zu jung. Ich hatte doch keine Erfahrung und keinen Meister in der Tasche. Den wollte ich aber unbedingt noch machen.“ Eine Selbstständigkeit war damals gar nicht das Ziel.

Daniel fand in der Glashütter Uhrenmanufaktur Nomos einen namhaften Arbeitgeber. Er machte seinen Meister und erweiterte sein Können in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Herstellers. „Was ich da gemacht und gelernt habe, kann mir keiner nehmen“, sagt Daniel. Gemeinsam mit seinem Bruder, der Goldschmied ist, baute er bei Nomos limitierte Uhren mit komplizierten Mechaniken von Hand im Wert von mehreren Zehntausend Euro.


Ruf der Heimat

Doch so spannend die Arbeit auch war, die Heimat ließ ihn nicht los. „Ich wollte in Glashütte nie Wurzeln schlagen. Das war immer Arbeit. Wenn es ging, sind meine Frau und ich an den Wochenenden nach Quedlinburg gefahren“, sagt der Unternehmer. „Dann haben wir 2011 Nachwuchs bekommen, zeitgleich gab es bei Nomos Umbrüche. An dem Punkt fiel die Entscheidung, dass wir zurückgehen.“

Sein Vorschlag, im elterlichen Geschäft als Uhrmacher einzusteigen und für das eigene Gehalt zu sorgen, wurde liebevoll abgelehnt. Er solle sein eigenes Ding machen und das so, wie er es für richtig halte, riet ihm sein Vater. In Ermangelung eines anderen Arbeitgebers in Quedlinburg war die Selbstständigkeit für Daniel der einzig logische Schritt.

“Wenn ich die zwei Prozent der Menschen in Deutschland erreiche, die eine gute mechanische Uhr zu schätzen wissen, dann reicht das.” — Daniel Malchert

Unterstützung von außen

Obwohl er aus einer Unternehmerfamilie kam und sich selbst viel angelesen hatte, setzte der Uhrmacher bei der Gründung auch auf Unterstützung von außen. „Ich wurde im Rahmen eines Förderprojektes von einem sogenannten ego.-Piloten begleitet, als es um den Businessplan und mögliche Kredite ging“, erinnert sich Daniel. Der Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit war ebenfalls eine Hilfe für den Start und die Handwerkskammer besprach mit ihm die Realisierbarkeit.

Noch intensiver sei allerdings die Zusammenarbeit mit der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) in Magdeburg gewesen. „Das erste Darlehen für die Einrichtung der Werkstatt lief unter Existenzgründung“, so Daniel. „Mit dem zweiten habe ich die Anschaffungen für die langwierige Zertifizierung finanziert.“ Ein wichtiger Teil seines heutigen Geschäftsmodells.


Alleinstellungsmerkmale im Blick

Er ist einer von zwei Uhrmachern in ganz Sachsen-Anhalt, die für Hersteller wie die Swatch Group, Omega oder natürlich Union Glashütte als offizielle Servicewerkstatt geführt werden. Voraussetzung dafür waren die richtige Ausbildung, die nötige Qualität und das richtige Werkzeug. „Viele Uhrmacher halten von den Zertifizierungen nichts. Die sagen, man prostituiert sich für die Hersteller“, sagt Daniel. „Aber es gibt Kunden, die darauf Wert legen. Die wollen eine gewisse Werterhaltung haben und das kann ich garantieren, weil ich Original-Teile einbaue, die direkt vom Hersteller kommen.“

Ein paar Zertifizierungen für weitere Marken habe er noch im Blick, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Und auch eine neue Malchert-Uhr gebe es schon, wenn auch nur in Daniels Kopf. Neun Monate dauere eine Schwangerschaft und bei seinen eigenen Uhren lasse die Geburt noch ein wenig länger auf sich warten, sagt er und lacht.


Förderung für Online-Marketing

Seine Kund*innen wissen, dass sich das Warten lohnt, egal ob auf die Reparatur der geliebten Standuhr vom Urgroßvater, den wertvollen Chronografen oder die echte Malchert. Die Auftraggeber*innen kommen aus ganz Deutschland, auch aus dem Ausland, und finden Daniel hauptsächlich über das Internet. Mittlerweile hat sich der gute Service herumgesprochen. Dennoch legt Daniel Wert auf Online-Marketing, damit seine Kund*innen ihn finden.
Um die Herausforderung der Digitalisierung zu meistern, holte er sich Profis einer Agentur und bekam dafür 2019 erneut Unterstützung durch die IB. „Die Rahmenbedingungen haben gestimmt. Allein hätte ich das nicht gekonnt“, sagt der Handwerksmeister.

Mit seiner Ausbildung könnte er überall arbeiten und trotz familiärer Wurzeln war die Rückkehr nach Quedlinburg nicht leicht. Daniels Frau fand nicht gleich Arbeit und auf der Suche nach einem Krippenplatz musste das Paar sich „durchwurschteln“. Generell sei man in der Stadt eher auf den Tourismus als auf die Ansiedlung junger Familien fokussiert. „Wir haben mittlerweile zwei Kinder im Alter von sieben und neun Jahren“, sagt der Unternehmer. „Immer nur zu den zwei Spielplätzen hier zu gehen, wird auch irgendwann langweilig. In dieser Hinsicht ist das Angebot eingeschränkt.“


Zukunftsfähiges Geschäftsmodell

Und doch wird auch seine zweite Malchert-Uhr den Bezug zur Heimatstadt im Namen tragen. „Ich fühle mich hier so wohl“, sagt Daniel. „Ich gehe hier mittags raus in den Hof und bin viel in der Natur. Ich habe wieder mit dem Laufen angefangen, seit ich selbstständig bin. Da bekomme ich den Kopf frei. Dass ich mir meinen Tag selbst einteilen kann, ist ein großer Vorteil, gerade mit Kindern.“ Ein Zurück ins Angestelltenverhältnis gibt es für ihn nicht, auch wenn er auf die Buchhaltung als Einzelunternehmer manchmal „keinen Bock“ habe. Zum Glück unterstütze ihn seine Frau auf Minijob-Basis dabei.

Doch wie zukunftsfähig ist Daniels Geschäftsmodell? Ist die Digitalisierung eine Gefahr für sein Handwerk? „Ich sehe die Reparaturen und sehe, was von den Herstellern gebaut wird“, sagt Daniel. „Die Uhren werden immer teurer und hochwertiger und es gibt dafür auch Kundschaft“, so der Experte. Es gebe viele, die die Mechanik wieder für sich entdecken, wie bei Schallplatten, Fahrrädern oder alten Autos. „So ist das auch mit Uhren. Wenn ich die zwei Prozent der Menschen in Deutschland erreiche, die eine gute mechanische Uhr zu schätzen wissen, dann reicht das.“

Veröffentlicht am 13. Oktober 2020

Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow