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Tipps von Aufenthaltstitel bis Sprache

Was Migrant*innen beim Gründen beachten sollten

Von der Sprache bis hin zum Aufenthaltstitel – die wichtigsten Infos für Migrant*innen, die in Sachsen-Anhalt ein Unternehmen gründen möchten. 

Viele Gründe sprechen fürs Gründen – das gilt für Gründer*innen mit und ohne internationalen Hintergrund. Doch bei Migrant*innen scheint der Antrieb, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, etwas stärker zu sein: Ihr Anteil unter den Gründer*innen liegt seit einigen Jahren leicht über dem der Menschen mit deutschem Pass, wie Kai Kraudi beobachtet. Kraudi ist Gründungsberater bei der ePlan Consult GmbH. Dort angeschlossen ist das Projekt EMI, das Migrant*innen und Menschen mit Migrationshintergrund bei der Existenzgründung berät. 

„Man kann deutlich sagen, dass Menschen mit einem ausländischen Pass häufiger gründen“, sagt Kraudi. Dafür gebe es viele Erklärungen. Eine sei: Migrant*innen seien oft risikofreudiger und nicht so stark fixiert auf die klassische Festanstellung.

Doch damit sie sich in Deutschland selbstständig machen können, müssen Migrant*innen eine Reihe von Punkten beachten.


Sprachkenntnisse

„Es gibt keine formalen Voraussetzungen von Sprachkenntnissen bei einer Gründung“, sagt Kai Kraudi. Das heißt: Niemand prüft die Deutschkenntnisse einer Gründerin. Doch es gibt eine Menge Situationen, bei denen es ohne solide Sprachkenntnisse schwierig wird: etwa bei der Anmeldung beim Gewerbeamt, beim Kontakt mit dem Finanzamt oder der Steuererklärung – und nicht zuletzt im Umgang mit Kund*innen. 

Denn selbst in größeren Städten wie Halle oder Magdeburg könnten sich Gründer*innen nicht auf einen Kundenstamm aus dem eigenen Sprachraum beschränken, sagt Kraudi. „Die Angebote müssen auch für deutsche Kunden funktionieren, und eine Beratung der Kunden auf Deutsch muss möglich sein.“ Kraudi empfiehlt, dass Menschen erst gründen, wenn ihre Sprachkenntnisse mindestens bei Niveau B1 liegen. 

Tipp: Mehrere Bildungsträger bieten Sprachkurse an, darunter das Projekt EMI und die Volkshochschulen (VHS). Eine Übersicht von Kursangeboten gibt es auf der Seite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ein Online-Angebot zum Deutschlernen gibt es zum Beispiel bei der Deutschen Welle.


Beratung

Zahlreiche Beratungsstellen im Land haben wichtige Tipps und bieten Unterstützungen für Gründer*innen an. Anlaufstellen sind je nach Bereich etwa die Innovations- und Gründerzentren (IGZ), die Industrie- und Handels- sowie die Handwerkskammer und die Hochschulen. Das Projekt EMI ist spezialisiert auf die Bedürfnisse von Migrant*innen, die gründen möchten, und bietet Gründungsberatung in mehreren Sprachen an, unter anderem auf Arabisch, Russisch und Englisch. 

Tipp: Coach und Berater*in sind keine geschützten Berufe – jeder kann sich so nennen. Gelegentlich gebe es unseriöse Angebote, sagt Kraudi. Darum empfiehlt er: „Nicht direkt das erstbeste Angebot eines Beraters annehmen und bezahlen.“ Besser sei es, sich bei den offiziellen Stellen, etwa der IHK oder den Gründungszentren, nach seriösen Berater*innen zu informieren. 


Anerkennung der Berufsqualifikation

Gründen und loslegen – das geht in Deutschland nicht in jedem Bereich. Für geschützte Berufe müssen sie einen Nachweis über ihre Qualifikation erbringen. Das ist zum Beispiel bei handwerklichen Berufen (Frisör, Elektrikerin, Bäcker) der Fall oder auch im medizinischen Bereich. Wer in seinem Heimatland einen Beruf gelernt oder ein Studium abgeschlossen hat, möchte oft auch in Deutschland in diesem Beruf arbeiten. Doch dafür ist es nötig, die Berufsausbildung anerkennen zu lassen. Für die Anerkennung sind die Kammern zuständig – im handwerklichen Bereich die Handwerkskammer, bei Ärzt*innen die Ärztekammer, usw. 

Das Problem: Nicht immer werden Qualifikationen aus dem Ausland anerkannt. Gründungscoach Kai Kraudi kennt Fälle von Menschen, die in ihrem Heimatland viele Jahre in ihrem Beruf gearbeitet haben, diesen Job in Deutschland aber nicht mehr ausüben können. Sein Tipp: Wer die Zeit und die Möglichkeiten hat, sollte in Deutschland den Ausbildungsweg durchlaufen, vielleicht sogar bis zum Meister. Wer lieber sofort mit der Selbstständigkeit starten möchte, könne versuchen, in einem ähnlichen Beruf Fuß zu fassen, der nicht geschützt sei. Ein Beispiel: Wer in Deutschland nicht als Elektriker*in arbeiten dürfe, könne es zum Beispiel als Hausmeister*in oder Trockenbauer*in versuchen. 


Der richtige Aufenthaltstitel

Wer einen deutschen Pass hat oder aus einem EU-Land oder der Schweiz stammt, braucht keine Aufenthaltserlaubnis, um sich in Deutschland selbstständig zu machen. Staatsbürger*innen aus Drittstaaten hingegen benötigen einen Aufenthaltstitel, der ihnen eine selbstständige Tätigkeit in Deutschland erlaubt. Um diesen Aufenthaltstitel zu bekommen oder ihren bisherigen Aufenthaltsstatus ändern zu lassen, müssen sie einen Antrag bei der Ausländerbehörde stellen. 

Damit der Antrag bewilligt wird, müssen mehrere Punkte erfüllt sein: 

  • Der Gründer/die Gründerin muss persönlich und fachlich geeignet sein. 
  • Es muss ein regionales Bedürfnis oder ein wirtschaftliches Interesse an dem Unternehmen des Gründers/der Gründerin bestehen.
  • Die Finanzierung des Unternehmens muss gesichert sein. 
  • Der Gründer/die Gründerin muss in der Lage sein, mit dem Unternehmen den eigenen Lebensunterhalt zu sichern. 

In den meisten Fällen erwarten die Ausländerbehörden als Nachweis einen schriftlichen Businessplan, der eine Marktanalyse enthält. 

Tipp: Der Businessplan ist für die meisten Gründer*innen eine große Herausforderung. Unterstützung bekommen sie bei den Beratungsstellen zur Existenzgründung. Oft ist der Businessplan ein wesentlicher Bestandteil des Gründungscoachings, zum Beispiel beim Projekt EMI. 

Autorin: Sarah Schaefer ist freiberufliche Journalistin und schreibt regelmäßig Porträts über Gründer*innen und andere interessante Menschen.