Im Dschungel der Fachbegriffe?

HIER. ist der Kompass.

Erfahrungsbericht: Gründen Remote

So startest du im Home-Office durch

Die Gründer des Startups Paxly sitzen in Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt, in Hamburg und in Wien und haben ihr Unternehmen vom Home-Office aus gegründet. Sie sind überzeugt: Remote-Arbeit ist ein Erfolgsmodell für Startups. Ihre Erfahrungen, Tools und Tipps. 

Die Corona-Krise hat vieles verändert – auch die Arbeitswelt. Vor Ausbruch der Pandemie arbeiteten laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung vier Prozent der Befragten im Home-Office. Im April 2020 waren es plötzlich 27 Prozent. Betriebsprozesse und Arbeitsabläufe mussten in private Wohnungen verlegt oder gänzlich neu organisiert werden – teilweise innerhalb weniger Tage. Doch wie arbeitet es sich im Home-Office, wenn das eigene Unternehmen noch gar nicht gegründet ist und es keine Arbeitsabläufe gibt? 

Das deutsch-österreichische Startup Paxly hat diese Erfahrung gemacht. Gegründet wurde es 2018 an Rechnern in Sachsen-Anhalt, Hamburg und Wien. Schon das Kennenlernen der späteren Geschäftspartner Torsten Beyenbach und Thomas Auer fand nicht persönlich statt. Ein gemeinsamer Freund brachte sie zusammen. „Er hat gemeint, Torsten sei Vertriebler und rede viel, seine Ideen seien aber sehr clever“, sagt Thomas und lacht. Der gebürtige Österreicher und Wahlhamburger hatte damals Lust, etwas zu gründen und war auf der Suche nach Mitstreiter*innen.  

Erfolg mit "Parship für Kartons"

Ein Telefonat mit Torsten genügte. Gleich drei Geschäftsmodelle hatte der kreative Gesprächspartner in petto. In der Idee eines digitalen Marktplatzes für Verpackungsmaterialien sahen Torsten und Thomas schließlich das größte  Potenzial. Für die Programmierung der Plattform stieß IT-Spezialist Alexander Dür aus Wien dazu. Seit 2018 sind die Drei die Paxly GmbH.

Ihr Online-Marktplatz für Wellpappe sei so etwas wie „Parship für Kartons“, sagt Torsten, der vor seiner Selbstständigkeit viele Jahre in der Verpackungsindustrie tätig war. Das Prinzip: B2B-Großkunden konfigurieren auf dem Online-Marktplatz von Paxly die Wunschkartons für ihre Produkte und erhalten mit wenigen Klicks die Herstellerangebote, die zu ihren Anforderungen passen. Kauf und Lieferung wickelt  Paxly ab.  


SCRUM 

Scrum (engl.) ist ein Begriff aus dem Rugby. Übersetzt heißt es "Gedränge". Die Scrum-Methode kommt aus der agilen Softwareentwicklung, wird aber längst in vielen Branchen angewendet. Der Kern ist ein Rahmenwerk für die Zusammenarbeit eines Teams. Es sieht eine klare Rollenaufteilung vor sowie bestimmte Meetings und Werkzeuge, die dem Team eine Struktur und einen eindeutig definierten Arbeitsprozess geben. 


Dass es diese Plattform gibt, ist vor allem das Ergebnis von Remote-Arbeit, also Fernarbeit. Seinen Hauptsitz hat das Startup in Hohenmölsen im Burgenlandkreis, weil Vertriebler Torsten dort lebt und der Standort in der Mitte Deutschlands auch für die Akquise günstig gelegen ist. In den seltensten Fällen arbeitet er dort jedoch mit seinen Mitgründern vor Ort. Digitale Strukturen mussten her. 

Inspiration für ihr Produkt- und Projektmanagement holte sich das Trio aus der IT-Branche, genauer: aus der agilen Softwareentwicklung. Das Geheimnis der sogenannten Scrum-Methode sind einfache Strukturen und klar definierte Rollen. Torsten ist der Ideenmanager; er sammelt und sortiert die Ideen und erstellt erste Entwürfe. Thomas priorisiert die Aufgaben und Alexander programmiert.  

Am Anfang war: der Lernprozess

Insbesondere die Kommunikation muss passen, wenn man ein Unternehmen auf Distanz gründet, sind sich die Gründer von Paxly sicher. Wo kommuniziert man zu welchen Zeiten, auf welchen Kanälen und zu welchen Themen? Die Antworten auf diese Frage haben Torsten, Thomas und Alexander schon in der ersten Gründungsphase für sich definiert.  

„Wir sind da in der Anfangszeit auch durch einen Lernprozess gegangen“, sagt Thomas. Zu Beginn gab es bei Paxly sogenannte Daily Stand-ups. Das sind tägliche Meetings, die bei der Methode des agilen Arbeitens theoretisch im Stehen stattfinden, um die Besprechungen möglichst kurz zu halten. Die Inhalte sind festgelegt: Ergebnisse des Vortages, Statusmeldungen zu Aufgaben, mögliche Probleme und Lösungen. „Das haben wir nach einem intensiven Start jetzt auf dreimal pro Woche reduziert“, so Thomas. Hinzu kommen bei Paxly feste „Weeklys“ und „Monthlys“, regelmäßige Treffen im Wochen- und Monatsrhythmus. 

Es geht nicht ohne klare Kommunikation

Insbesondere die Kommunikation muss passen, wenn man ein Unternehmen auf Distanz gründet, sind sich die Gründer von Paxly sicher. Wo kommuniziert man zu welchen Zeiten, auf welchen Kanälen und zu welchen Themen? Die Antworten auf diese Frage haben Torsten, Thomas und Alexander schon in der ersten Gründungsphase für sich definiert.  

Seitdem das Team um zwei Mitarbeiter im Vertrieb gewachsen ist, sind die Aufgaben vielfältiger geworden. Jeder Termin hat daher ein klares Thema, das besprochen wird, und ein klares Ziel.   


5 Kommunikationstipps für das Gründen im Home-Office: 

  1. Chatte nicht über jeden „Blödsinn“.  
  2. Gehe respektvoll mit der Zeit der anderen um. 
  3. Ziehe eine klare Trennlinie zwischen Arbeit und Freizeit. 
  4. Bereite dich gründlich auf Termine vor und halte dich an die Agenda. 
  5. Plane regelmäßig Zeit für privaten Austausch mit den Kollegen ein. 

Auch für spontane Ideen gibt es einen Prozess. Alle „wilden Gedanken“ werden gesammelt, dann pitcht jeder seine Idee vor den anderen. Das Team lässt die Eindrücke nun sacken und bewertet die Ideen an einem anderen Tag neu. Wird der Vorschlag für gut befunden, ist der nächste Schritt ein Prototyp, um die mögliche Funktionsweise zu testen. Das kann auch negativ sein. Überzeugen die Ergebnisse, geht es an die Umsetzung.  

Gerade für Torsten war das eine große Umstellung. „Ich habe die dumme Angewohnheit, dass ich beim Autofahren kreativ werde. Ich habe die Jungs am Anfang oft mit meinen neuen Ideen genervt und sie damit immer wieder aus ihrem Arbeitsprozess geholt“, so der Vertriebsmanager. „Wenn man einmal drüber geschlafen hat, merkt man meistens bei 80 Prozent der Ideen selbst, dass es Quatsch war, was man vorhatte“, sagt er.  

Dezentrales Gründen hat Vorteile für Startups

Nachteile sehen Paxly in ihrer Arbeitsweise nicht. Nur Investor*innen würden das immer mal wieder infrage stellen. Der Vermutung, ein Startup, das nicht in einem Büro sitzt, könne nicht funktionieren, widersprechen die Gründer vehement.  

Alexander hat dazu eine Theorie entwickelt: „Ich glaube, dass Startups sterben, weil sie nicht remote sind.“ Der IT-Experte denkt nicht, dass bessere Lösungen entstehen, wenn ein Team tagtäglich „aufeinander klebt“ – im Gegenteil. „Du verrennst dich leichter, bist getriebener von Emotionen“, ist Alexander überzeugt. „Beim dezentralen Arbeiten hat man die Möglichkeit, Ideen viel rationaler zu bewerten. Da sie schriftlich gesammelt werden und der Prozess länger dauert, kann man mehr reflektieren. So trifft man unabhängigere und objektivere Entscheidungen.“ Zudem würden die unterschiedlichen Erfahrungen, die jeder an seinem Ort in seinem Leben mache, dem Team zugutekommen.  

Analoges Büro in Aussicht

Dass sie trotzdem mit ihrer Firma richtig sesshaft werden wollen, ist für die Paxly-Gründer schon jetzt klar und in Aussicht. „Sollte die Corona-Lage es zulassen, beziehen wir Mitte Februar auch ein ‘richtiges Büro’. Wir wollen unseren weiteren Mitarbeitern im Customer Service eine feste Anlaufstelle bieten“, sagt Thomas. „Aber es war relativ früh schon klar, dass niemals die gesamte Firma in der Zentrale sein wird.“  

Obwohl Paxly ein Unternehmen mit einem digitalen Geschäftsmodell ist, spielt die Nähe zu Kund*innen eine große Rolle. Sie seien „digitale Lieferanten“ und stehen auch dafür gerade, dass die Kartonagen und Verpackungen, die über ihr Portal bestellt werden, in der vereinbarten Qualität ankommen. Im Vertrieb erfordert dieses Versprechen eine hohe Flexibilität und Angestellte, die kurzfristig vor Ort sein können. Um den gesamten deutschen Markt gut zu bedienen, hat Paxly auch Mitarbeiter*innen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Ihre Einarbeitung lief ebenfalls digital.  


Tools: Weniger ist mehr!  
3 Tools, die bei Paxly das Remote-Arbeiten erleichtern 

Asana 
Ein einfaches Tool! Es hilft uns, einzelne Projekte ohne langwierige Abstimmungen zu verwalten. Wir sehen schnell: Wie ist der Status, wer muss was erledigen? Damit sparen wir viel Zeit! 

Google Docs  
Praktischer geht’s nicht, hier können wir gemeinsam und gleichzeitig Dokumente bearbeiten, Kalender teilen und vieles mehr. Dabei gibt es völlige Transparenz darüber, wer gerade an welcher Aufgabe arbeitet. 

Google Hangouts 
Unsere Abstimmungstermine sind immer digital. Wir pflegen ein „digitales Büro“. Seit Corona machen das immer mehr Teams, wir arbeiten ab Tag 1 damit! Wer kurz seinen Fokus benötigt, stellt sich stumm oder verlässt das Büro. 


Eine Woche Onboarding – intensiv. Auf dem Programm stand unter anderem das Kennenlernen der Paxly-Plattform, der Prozesse, des Firmen-Systems, der Meeting-Strukturen und Kommunikations-Tools. „Welche Inhalte werden wo besprochen? Wer hat welche Entscheidungskompetenzen?“ – das waren laut Torsten die zentralen Fragen des Onboardings.  Während dieser Phase ging es auch darum, herauszufinden, was die neuen Mitarbeiter*innen gut können, und wo es noch Entwicklungspotenzial gibt. „Was das betrifft, werden wir auch immer einen Mentor zur Seite stellen“, sagt Thomas. Ideen für einen noch stärker automatisierten Eingliederungsprozess über Erklärvideos und schriftliche Anleitungen haben die Gründer bereits. 

Es gibt jedoch Dinge, die auch die Paxly-Gründer gar nicht digitalisieren wollen: den persönlichen Austausch und das Teambuilding. Wenn nicht gerade eine Pandemie das Reisen verhindert, trifft sich das Startup alle sechs bis acht Wochen ganz analog. Die Arbeit kann dabei zur Nebensache werden. „Wir gehen meistens was essen und quatschen privat“, sagt Thomas. „Ich verbringe mit den Jungs teilweise mehr Zeit als mit meiner Frau, da muss es auch menschlich passen.“