Technik ist teuer. Spezialtechnik ist teurer. Wer mit seiner Geschäftsidee oder einem Projekt am Anfang steht und auf kostenintensive Anlagen und Maschinen zur Erprobung angewiesen ist, hat gleich drei Probleme auf einmal: keine Einnahmen, kein Geld für Maschinen und keine Kreditwürdigkeit.
Gut dran ist, wer in diesem Fall an einer der Hochschulen in Sachsen-Anhalt studiert oder arbeitet. In den vergangenen Jahren ist ein dichtes Netz an Inkubatoren und Labs an allen Instituten des Bundeslandes entstanden. Das sind spezielle Werkstätten und Labore für Gründer*innen aus dem Umfeld der Hochschulen. Sie finden in den Räumen alles, was sie brauchen, um Technologien und Geschäftsideen für die Praxis zu entwickeln oder Zukunftsszenarien zu erproben. Mobilität, FinTech, Arbeitswelt 4.0, Virtuelle Medizin oder Agrartechnologie sind nur einige der vielen Spezialgebiete, für die man das entsprechende Umfeld eingerichtet und mit hochwertiger Technik ausgestattet hat.
Werkstätten für Macherinnen und Macher
An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sind bis 2021 zwölf sogenannte MakerLabs entstanden. „Die Konzepte und die technische Expertise für die Inkubatoren kommen von den Instituten“, sagt Jonas Crackau. Er ist der Abteilungsleiter im Transfer- und Gründerzentrum (TUGZ) der Uni. Das Team vom TUGZ achtet darauf, dass die Werkstätten ein schlüssiges Gesamtkonzept ergeben. Zugang zu den Labs bekommt jeder und jede mit einer Idee und der Motivation zur Umsetzung.
„Ausgründungen aus Unis sind meist sehr innovativ und nachhaltig. Daher bringen wir möglichst viele Leute in die Inkubatoren“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Einige Studierende seien vorher mit technischen Anlagen noch gar nicht in Berührung gekommen. Das habe Konsequenzen für die gesamte Gründungslandschaft. „Hat man mit einem 3D-Drucker oder einer VR-Brille noch nie gearbeitet, kommt man später auch nicht auf die Idee.“
Von Schraubschlüssel bis Spezial-Software
In Magdeburg gibt es etwa das FabLab. Es ist mit Wasserstrahlschneidern, Lasercuttern oder Spritzgießmaschinen ausgestattet. Im Fokus steht hier die Fertigung von Funktionsmodellen im Bereich Maschinenbau oder Mechatronik. Die Entwicklung innovativer Elektronikprodukte ist im FLEXtronic-Labor möglich. Dort stehen eine computergesteuerte Fräse und spezielle Softwarelösungen bereit. Im AWI-Lab geht es um die Erprobung innovativer Lösungen für die Arbeitswelt 4.0 mit Schwerpunkten auf Maschinen- und Anlagenbau sowie Gesundheit und Pflege. Vom Schraubschlüssel bis zu entsprechenden Hightech-Geräten ist in allen Inkubatoren fast alles vorhanden.
Neben den technischen Aspekten sieht Crackau die Vorteile der MakerLabs aber vor allem im Know-how. Die Nutzer*innen bekommen eine Einweisung durch Fachpersonal und können dann an den Anlagen arbeiten. Hürden für den Zugang gibt es fast keine. „Es wird niemand abgelehnt, der sich ausprobieren will.“
Mehr Gründungen durch Inkubatoren
Jonas Crackau ist überzeugt, dass sich die Ausbildung an der Uni durch die praktischen Erfahrungen in den Inkubatoren generell verbessert und den Uni-Standort noch attraktiver macht. „Es ist eine Spielwiese, auf der Fehler gemacht werden dürfen. Davon hat indirekt sogar die ganze Gesellschaft etwas.“ Innovative Unternehmen schafften neue Arbeitsplätze. Und auch wer nicht in die Selbstständigkeit gehe, sei durch die Inkubator-Praxis ein Gewinn für künftige Arbeitgeber*innen.
70 bis 80 Prozent der Gründungen, die Jonas Crackau und sein Team im TUGZ begleitet haben, waren auch in einem der MakerLabs. Die Quote ist hoch. „Wünschenswert wären noch mehr Synergien zwischen den Inkubatoren, aber auch Synergien mit der Industrie. Da geht noch was“, sagt Jonas Crackau.
Er sei überzeugt von dem Förderprogramm, das Hochschulen das Einrichten von Inkubatoren ermöglicht, und doch sieht er Potenzial für Verbesserungen: „Technik wird gefördert, aber nur halbe Stellen für Mitarbeiter. Mit der Folge, dass Talente abwandern und ihr Wissen mitnehmen. Da gilt es im Sinne des Gründer-Ökosystems, noch Entwicklungsarbeit zu leisten.“
Labore für die Gestaltung von Zukünften
Klassische Inkubatoren sind die BurgLabs an der Burg Giebichenstein nicht. Gründungen sind nur eines von vielen Zielen. Mit dem SustainLab, dem BioLab und dem XLab, die im Frühjahr 2021 die Türen öffneten, nimmt die Kunsthochschule aus Halle (Saale) die gestalterische Forschung stärker in den Blick. Je nach Labor liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit, Biotechnologie oder Künstlicher Intelligenz und Robotik.
„Das sind Technologien, die sind im Wachsen und im Kommen. Ich bin mir sicher, dass biotechnologische Verfahren in ein paar Jahren eine ähnliche Normalität haben wie Tischler-Werkstätten“, sagt Mareike Gast, Professorin für Industrial Design und Material- und technologiebasierte Produktentwicklung. Sie leitet das Projekt. Die Schwerpunkte der Labs seien auch ihre persönlichen, und die Studierenden längst an diesen Themen dran. Mit den neuen Laboren wollte man die Methoden, Mittel und Materialien an der Burg genauer verorten und erweitern.
Nachhaltigkeit zum Anfassen und Verstehen
Im SustainLab treffen analytische und wissenschaftliche Methoden auf kreative Arbeit mit dem Ziel, Nachhaltigkeit greifbar und verständlich zu machen. Ein Labor im wortwörtlichen Sinn ist im BioLab eingerichtet worden. Dort besteht die Möglichkeit, mit biotechnischen Methoden Algen, Bakterien und Pilze zu züchten, oder gänzlich in 3-D zu drucken. Im XLab suchen Nutzer*innen Antworten auf die Frage: Was kann KI jetzt und in Zukunft? Und was hat das Ganze mit Kunst zu tun? „Es geht eigentlich gar nicht darum, zum Beispiel eine neue Art der Kultivierung von Bakterien zu erzeugen, sondern um den Transfer hin in einen Kontext“, sagt Mareike Gast. „Wie verarbeitet man etwa Material, das lebendige Organismen enthält, die sich verändern? Diese Fragen spielen in der gestalterischen Forschung eine Rolle und zielen auch immer auf eine Reibung ab.“
Eine Reibung mit der Außenwelt, mit der Öffentlichkeit, mit der Anwendung. Visionen und Szenarien verschiedener Zukünfte erlebbar und diskutierbar zu machen, dieses Potenzial hatte Kunst schon immer. In den BurgLabs gibt es modernste Mittel und Wege für die Umsetzung. „Unser Ansatz ist, nicht nur die Technologien als Werkzeuge zu begreifen“, sagt die Projektleiterin. „Wir wollen sie kritisch beleuchten und sie als Künstler*innen mitformen.“
Gemischtes Doppel für die volle Expertise
In jedem der BurgLabs gibt es ein Team aus Gestalter*in, Künstler*in und Wissenschaftler*in. Der Grund auch hier: Niederschwelligkeit. Studierende, Absolvent*innen und Mitarbeitende der Burg können so einfach vorbeikommen und erhalten die volle Expertise. „Dieser interdisziplinäre Austausch sowohl in der Lehre als auch in der Forschung ist natürlich großartig“, sagt Mareike Gast. Trotz eines Starts parallel zum Ausbruch der Corona-Pandemie sei die Öffnung der BurgLabs gut angelaufen.
Ob konkretes Entwurfs- oder Forschungsprojekt, die Auseinandersetzung mit einer bestimmten Technologie oder auch Gründungsideen – in der kurzen Zeit seit Beginn kam alles bereits vor. „Wir haben zum Beispiel einen Absolventen, der aus Ei-Membranen Sprühverpackungen für Gemüse und Obst entwickelt“, so Mareike Gast. Die Idee sei in einem Entwurfsprojekt an der Burg entstanden und werde jetzt im BioLab zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickelt. Die Nutzung der Labore sei vielfältig und ziele nicht auf die Ausgründung von Startups ab. „Uns geht es darum, eine stärkere und selbstverständlichere Rolle von Gestaltung in der Entwicklung und Forschung zu etablieren, als es im Augenblick üblich ist“, sagt Mareike Gast. „Die BurgLabs dienen als Sprungbrett, als niederschwelliger Startpunkt für mehr.“