Technikbegeisterung schweißt Gründer zusammen
Über 700.000 Mal wurde die App bisher heruntergeladen. Den Startup-Schuhen seien sie deswegen aber längst nicht entwachsen, sagt Stefan. „So lange nicht jeder UniNow kennt und wir noch täglich mit neuen Herausforderungen zu tun haben, würde ich uns als Startup bezeichnen“, sagt der App-Entwickler. „Für mich ist der Begriff auch nicht nur eine betriebswirtschaftliche Einordnung, sondern eine Einstellungssache.“
Während ihres Informatikstudiums an der Otto-von-Guericke-Universität (OVGU) in Magdeburg fingen Stefan und Tobias an, die App zu bauen. Im Alter von 21 Jahren dachten die beiden zunächst nicht an ein Geschäftsmodell, sondern wollten einfach nur ein Problem lösen. „Wir sind nicht die geborenen Gründer“, sagt Stefan. „Wir wollten einfach wissen, ob wir unsere Prüfungen geschafft haben. Das Laden der Ergebnisse dauerte ewig und an mobile Endgeräte hatte auch niemand gedacht.“
Im dritten Semester gehörten die zwei zu den wenigen mit einem Smartphone und arbeiteten als Einzige im Studium an MacBooks. Ihre Technikbegeisterung brachte sie zusammen. Aus Kommilitonen wurden Freunde, aus frustrierten IT-Studenten App-Entwickler.
App wird in Einraumwohnung programmiert
Die Anwendung fand schnell auch andere Nutzer*innen und in Professor Graham Horton von der Fakultät für Informatik einen wichtigen Unterstützer. Er präsentierte die App Rektor Jens Strackeljan und der wiederum führte das Programm anfangs unter dem Namen OVGU2GO für die gesamte Magdeburger Uni ein.
„Das waren ein paar glückliche Umstände“, sagt Stefan. Am Ende des Studiums stellte sich trotzdem die Frage: Lässt man das Projekt sterben oder geht man aufs Ganze? Die Entscheidung fiel für Letzteres. Ein halbes Jahr vor der Gründung zogen die beiden Freunde in eine Einraumwohnung und programmierten Tag und Nacht. „Viel länger hätte die Phase auch nicht gehen dürfen“, sagt der 29-Jährige und lacht. „Unsere Konten waren leer, aber es war eine wichtige Erfahrung. Ich glaube, es hilft uns heute auch noch, dass wir bodenständig sind. Als Gründer musst du Schmerzen leiden können, sonst stehst du das nicht durch.“
„Mit einer Million Budget kann man sich in Sachsen-Anhalt viel Power ins Haus holen. Woanders geht das nicht.“ — Stefan Wegener
Ein Gefühl von Luxus schon am Start
Das EXIST-Gründerstipendium setzte der Durststrecke ein Ende. Ein Jahr lang konnten sie Sachausgaben und ihren persönlichen Lebensunterhalt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie finanzieren. „Das war eine tolle Geschichte, ganz ehrlich“, schwärmt der Magdeburger. „Wir konnten so über ein Jahr aus unserer Idee ein Businessmodell formen. Man bekommt Geld, ohne Anteile am Unternehmen abgeben zu müssen. Das ist totaler Luxus und eine superkomfortable Situation für den Start.“
Finanziell gelohnt hat sich für die App-Entwickler auch die Teilnahme am Investforum Pitch-Day 2016. Das Event der Innovations- und Gründungsförder*innen von Univations aus Halle (an der Saale) bringt einmal im Jahr Startups aus Sachsen-Anhalt mit potenziellen Investor*innen zusammen. Im Fall von UniNow ging das Prinzip der unternehmerischen Partnervermittlung auf. Die von der bmp Beteiligungsmanagement AG verwalteten IBG-Fonds des Landes investierten in einer ersten Runde eine Million Euro in das Magdeburger Unternehmen. „Wir hatten keine superreichen Eltern. Die Investition und Univations als Sparringspartner waren auf jeden Fall extrem wichtig“, sagt Stefan.
Geschäftsmodell: Kooperation und individuelle Features
Doch es geht natürlich auch ums Geldverdienen. Umsatz macht UniNow unter anderem mit Unternehmen, die die App als Recruiting-Instrument nutzen, und durch die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Unis. „Wir sind sehr fokussiert auf die Hochschul-Kooperationen“, sagt Stefan. Diese beinhalteten die Anpassung der App an die Farben der Hochschule, das Einfügen des Logos und individuelle Features. „Für die Universität Bayreuth haben wir zum Beispiel den Sportausweis digitalisiert. Das ist cool, weil man automatisch wieder eine Nutzergruppe erschließt, die möglichst ein-, zweimal die Woche die App nutzt.“
Ein digitaler Ausweis für den Nahverkehr und andere Dienstleistungen, Mobile Payment für alle Bereiche des studentischen Lebens – den Entwicklern gehen die Ideen noch lange nicht aus. Je mehr Nutzen, desto mehr Nutzer*innen und mehr Potenzial für Personaler*innen. Dank UniNow landen offene Stellen von Firmen direkt auf dem Handy von passenden Bewerber*innen.
Aus Warnung wird Akzeptanz
„Wir haben im Raum Stuttgart fast alle Hochschulen als Kooperationspartner gewinnen können. Als offizielle App erreichen wir die Studierenden und die Unternehmen leichter“, sagt Stefan. Den Zuspruch vonseiten der Unis gab es nicht immer. Als UniNow an den Start ging, warnten mehrere Hochschulen sogar offiziell vor der App. Ein Tiefschlag. Der Vorwurf damals: Die Programmierer hätten uneingeschränkten Zugang zu privaten Daten. „Das war eine extrem intensive Zeit, die wir so nicht haben kommen sehen“, erinnert sich der IT-Experte. „Das Telefon stand nie still, das Radio hat angerufen.“
Doch Stefan und Tobias traten die Flucht nach vorne an. Sie setzten sich mit dem ZKI, dem Verband aller deutschen Rechenzentren, an einen Tisch und suchten nach Lösungen. Sie stellten Teile ihrer Technologie um und sind nun sogar TÜV-zertifiziert. „Technisch gesehen haben wir auch nie etwas Verbotenes gemacht“, stellt Stefan klar. Aber in der Theorie wäre es möglich gewesen. „Als aus der Warnung dann Akzeptanz und schließlich Unterstützung durch die Hochschulen wurde, war das cool zu sehen.“
Eine Zeit, aus der die beiden Gründer gestärkt hervorgegangen sind. Was sie zu einem guten Team macht? „Wir sind witzigerweise ziemlich verschieden“, sagt Stefan. Tobias sei impulsiv und könne schnell Ideen generieren. „Ich bin eher der ruhigere Typ, der mal ein paar Stunden länger nachdenkt. Dadurch ergänzen wir uns gut. Wir sind außerdem beide IT-ler und haben ein IT-Startup. Das hilft uns, auch alles noch in der Tiefe zu verstehen und Dinge durchzuziehen, auch wenn sie manchmal nicht machbar erscheinen.“ Ein bisschen seien sie wie Brüder. „Tobias kennt mich besser als viele andere und andersrum genauso. Wir passen aufeinander auf. Ich wüsste nicht, wie man eine Unternehmensgründung alleine aushält. Davor habe ich großen Respekt.“
Magdeburg: Weniger Konkurrenz, bessere Mieten
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Fähigkeit, sich voll und ganz in die Arbeit vertiefen zu können. Die Ruhe, die sie dazu brauchen, finden sie an ihrem Firmenstandort in Magdeburg. An der Elbe zu bleiben, war für die UniNow-Gründer eine bewusste Entscheidung. „Magdeburg ist vielleicht nicht die hippe Gründerstadt. Ich finde das aber ehrlich gesagt gar nicht schlimm“, sagt Stefan. „Wenn ich zum Beispiel in Berlin bin, ist mir das immer ein bisschen zu viel.“ Auch zu viel Konkurrenz.
Als Startup könne man mit großen IT-Unternehmen nicht mithalten. Gehälter und Benefits wie bei Google in München seien einfach nicht drin. „Aber hier in Magdeburg kannst du als Startup noch eine Marke aufbauen und mit kleinen Unterschieden wie dem gemeinsamen Frühstück oder dem Kickertisch eine Alternative für mögliche Arbeitnehmer anbieten.“ Und zu denen habe man über den exklusiven Zugang zur Fakultät für Informatik einen direkten Draht. Längst sind nicht alle Absolvent*innen nach dem Abschluss einfach verschwunden. Einige ziehen Sachsen-Anhalt und die dort langsam wachsende Startup-Szene vor. Ein Vorteil für Firmen wie UniNow. Man kennt sich und begegnet sich auf Netzwerktreffen. Für Stefan fast so etwas wie „Familientreffen“.
Was neben günstigen Mieten und Gehältern noch für Sachsen-Anhalt spreche, sei das Land als potenter Investor. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, macht das Land Dinge möglich“, sagt Stefan. So geschehen auch in der zweiten Finanzierungsrunde von UniNow. Neben einem Business Angel aus der Schweiz und einem Zeitungsverlag aus Münster investierte bmp aus den IBG-Fonds des Landes 2017 erneut in die Magdeburger. „Mit einer Million Budget kann man sich hier viel Power ins Haus holen. Woanders geht das nicht“, ist der Gründer überzeugt.
Veröffentlicht am 13. Oktober 2020
Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow