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Tischlerei Hosang: Tradition dank Verantwortung und Mut

Die Tischlerei Hosang in Aschersleben gibt es seit über 200 Jahren. Ein Schicksalsschlag führte dazu, dass das Unternehmen nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Zukunft hat. 

Aschersleben. Christoph Hosang ist Tischlermeister, 31 Jahre jung und leitet in der 9. Generation den Familienbetrieb im kleinen Ort Wilsleben in der Nähe von Aschersleben. Geschäftsführer des Traditionsbetriebs ist er bereits seit elf Jahren, was so nicht geplant war. „Eigentlich wollte ich nach meiner Lehre nach Hamburg ziehen und bei einem Reederei-Betrieb anfangen.“ Der plötzliche Tod seines Vaters änderte jedoch alles. 

Über 200 Jahre Tradition mussten erhalten bleiben

Seit mehr als 218 Jahren steht der Name Hosang in der Region Aschersleben für einen Handwerksbetrieb, der sich der fachmännischen Bearbeitung von Holz widmet. Den Grundstein legte 1802 Johann Andreas Hosang, der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater von Christoph. In Königsaue betrieb er Landwirtschaft und bot verschiedene Holz-Dienstleistungen an. Dieses Handwerk wurde fortan jeweils an die Söhne weitergegeben.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts verdienten sie ihr Brot mit Landwirtschaft und als Stellmacher. Sie stellten Räder, Wagen und andere landwirtschaftliche Geräte aus Holz her. Der Großvater von Christoph war ebenfalls Stellmachermeister, legte jedoch zusätzlich noch die Eingangsprüfung als Bautischler ab. 1967 siedelte sich der Familienbetrieb dann in Wilsleben an und errichtete auf einem kleinen Stückchen Land ein Wohnhaus und eine Werkstatt, in der noch heute alles produziert wird. Christophs Vater übernahm als Bau- und Möbeltischlermeister 1992 die Tischlerei. 

Die Familientradition sollte auch an Christoph nicht vorübergehen. „Natürlich herrschte schon ein leichter historischer Druck auf mir. Wenn man aber an einem Ort aufwächst, der einem jeden Tag die Tradition vor Augen hält, liegt es nahe, selbst auch diesen Beruf zu erlernen. Bereits während meiner Schulzeit habe ich gern in der Werkstatt mitgearbeitet und das Tischler-Handwerk und der Werkstoff Holz haben mich schon immer fasziniert“, sagt der heutige Tischlermeister.

So war es der natürliche Lauf, dass Christoph 2005 bei seinem Vater in die Lehre ging und diese 2008 erfolgreich abschloss. Mit 19 Jahren wollte Christoph seine eigenen Erfahrungen machen. Er bot haushaltsnahe Dienstleistungen auf selbstständiger Basis an, half weiterhin in der Werkstatt aus und wollte 2009 nach Hamburg ziehen, um mehr von der Welt zu sehen. Doch dazu kam es nicht. Plötzlich und unerwartet verstarb Christophs Vater

„Für mich stand sofort fest, dass ich die Führung des Betriebs übernehme und an die Stelle meines Vaters trete.“ — Christoph Hosang

Chef von einem auf den anderen Tag

Familie Hosang und die Mitarbeiter*innen der Tischlerei sahen sich mit vielen Fragen, Ängsten und Herausforderungen konfrontiert. Christoph musste sich entscheiden: „Für mich stand sofort fest, dass ich die Führung des Betriebs übernehme und an die Stelle meines Vaters trete.“ 

Keine leichte Situation für den damals 20-Jährigen. Die wirtschaftliche Lage zu dieser Zeit war allgemein schwierig und der Handwerksbetrieb beschäftigte drei Mitarbeiter*innen und einen Lehrling. Da kein Meister im Betrieb war, musste der Lehrling sich einen anderen Ausbildungsbetrieb suchen. Zusammen mit der Sekretärin, die heute immer noch in der Tischlerei arbeitet und eine große Stütze ist, verschaffte sich Christoph schnell einen Überblick über die finanzielle Situation. „Für mich war es wichtig, dass wir den Betrieb am Laufen halten und wir gesund wirtschaften“, so der Jung-Unternehmer.

Zusammen mit der Handwerkskammer Magdeburg wurde nach einer Lösung gesucht und eine Ausnahmegenehmigung erteilt, damit Christoph den Betrieb weiterführen durfte. Innerhalb von zwei Jahren sollte er seine Meisterausbildung beginnen, die zwingend für die Übernahme des Familienbetriebs erforderlich war. Daher begann er 2010 mit der Meisterausbildung und führte nebenbei das Unternehmen weiter. Seit 2014 kann er sich Meister nennen.

In dieser Zeit sammelte er viele positive wie auch negative Erfahrungen: „Es war schön zu sehen, dass der Betrieb funktionierte, auch wenn die Doppelbelastung aus Meisterschule und Unternehmensführung sehr intensiv war. Dabei hatte ich immer das Gefühl, dass meine Mitarbeiter mitzogen und ich als Chef akzeptiert wurde.“ Umso enttäuschter war Christoph, als ein langjähriger Mitarbeiter, der Christoph zum Teil mit ausgebildet hatte, in dieser Zeit kündigte. „Wahrscheinlich ist das normal, wenn jemand ein Unternehmen übernimmt. Es wird immer Mitarbeiter geben, die aus persönlichen oder fachlichen Gründen, den neuen Chef nicht akzeptieren.“


Frischer Wind in der Tischlerei

Nachdem sich halbwegs Normalität eingestellt hatte, begann Christoph, Stück für Stück Dinge zu verändern. Die Tischlerei war unter seinem Vater vor allem im Bereich Restauration tätig. „Ich habe geschaut, was am Markt und in der Region gut läuft und das Angebot langsam erweitert. Wir produzieren nach wie vor keine Massenware, sondern schaffen Produkte, die durch ihre massive Beschaffenheit und Individualität geprägt sind“, beschreibt er die Alleinstellungsmerkmale.

Heute produziert das Traditionsunternehmen Hosang individuelle Treppen, Fenster und Türen, Möbel, Carports und Terrassenbelege. Die Aufarbeitung oder getreue Nachbildung von antiken Stücken gehört nach wie vor zu den Dienstleistungen. Das spiegelt sich auch in der Ausstattung der 650 Quadratmeter großen Werkstatt wider. Neben modernen Maschinen stehen alte, traditionsreiche Werkzeuge, die immer noch täglich im Einsatz sind. 


Als Unternehmer gereift

Christoph ist stolz auf das, was er erreicht hat. Sein Kundenstamm besteht aus Privatpersonen, Architekt*innen und öffentlichen Auftraggeber*innen. Er beschäftigt sieben Gesell*innen, eine Bürokraft und einen Lehrling. „Es ist mir wichtig, dass wir unsere Mitarbeiter*innen selbst heranziehen, wertschätzen und fair behandeln und dadurch unser traditionelles Know-how und unsere Werte erhalten. Ich führe ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen und möchte dieses langsam weiterentwickeln“, sagt Christoph. Gründer*innen rät er, keine Angst zu haben und sich nicht in bürokratischen Dingen zu verrennen.

Ob irgendwann seine Kinder das Familienunternehmen weiterführen, ist noch nicht geregelt, aber er würde sich schon freuen. „Das, was wir hier erhalten, ist etwas Einzigartiges, das es verdient hat fortzubestehen“, sagt Christoph.

Veröffentlicht am 13. Oktober 2020

Autor: Christian Strebe
Fotografin: Carolin Krekow