Schichtkohl sei eines der Lieblingsgerichte, sagt Sandra Ryll. „Uns ist wichtig zu wissen, wer welches Essen mag. Wir fragen unsere Gäste, worauf sie Appetit haben und wissen, wer seinen Tee mit Süßstoff oder Zucker trinkt, wer lieber Wasser oder Cappuccino am Nachmittag mag.“ Ihre Gäste, das sind hochbetagte Menschen, die allein leben oder deren Angehörige berufstätig sind. In der Heidestube sind sie vom Frühstück bis zum Nachmittag in Gesellschaft und in professionellen Händen eines siebenköpfigen Pflege-Teams.
Die Menschen, die nach Klein-Schwechten in die Tagespflege kommen, haben viel Zeit – und können sie hier so verbringen, wie sie mögen: Mit Gedächtnistraining, Spaziergängen oder leichter Gartenarbeit. Immer mittwochs spielen die Fans des Gesellschaftsspiels Rummikub die eine oder andere Partie. Nach dem Essen ziehen sich alle auf ihre Lieblingsplätze zurück: Sessel, die sich im Nu in Liegen verwandeln. Später sitzt man zusammen bei Kaffee und Kuchen und beendet den Nachmittag mit Bingo, Basteln oder einer Vorleserunde in der Wohnstube. Ein bisschen wie in einer Wohngemeinschaft – nur mit deutlichen höherem Altersdurchschnitt. Die aktuell Älteste ist 98 Jahre alt. Und es gibt noch einen Unterschied: Nach dem gemeinsamen Tag werden alle wieder nach Hause gefahren.
Die Großstadt ruft
Sandra, Karsta und Margrit, die von allen nur Maggie genannt wird, sind erst seit der Gründung alle drei wieder im Landkreis Stendal zu Hause. Zuvor zog es sie berufsbedingt nach Nordrhein-Westfalen. Sandra war die Erste, die nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester 1990 nach Düsseldorf ging. Auf dem Arbeitsmarkt der Nachwendezeit seien viele Stellen im Osten weggebrochen. „In Düsseldorf war das anders, da musstest du als Krankenschwester nur an einem Krankenhaus vorbeigehen und hattest einen Vertrag in der Tasche“, sagt die 52-Jährige. Die beiden Schwestern folgten ihr in die Stadt und bei der Berufswahl: 1993 die heute 50-jährige Karsta und 2007 dann Maggie, 31 Jahre alt.
Die Frauen richteten sich ein, genossen die Großstadt und das Kontrastprogramm zum Leben auf dem Land. Noch heute hört man den leichten rheinischen Singsang nach zum Teil 30 Jahren Rheinland heraus. Alle drei gingen ihren Weg fernab der Heimat. Sie sammelten Erfahrungen in verschiedenen Krankenhäusern und Stationen – von Chirurgie bis Orthopädie. „Wir machen unseren Beruf mit Leib und Seele“, sagt Karsta. „Als Pflegekraft bekommst du von den Patienten und Angehörigen auch ganz viel zurück. Ein Dankeschön oder ein Händchenhalten.“ Auch der enge Zusammenhalt unter den Kolleg*innen sorgte für Spaß bei der Arbeit.
Gehen oder bleiben
Doch in den vergangenen Jahren hätten sich die Bedingungen in den Einrichtungen deutlich verschlechtert: weniger Personal, weniger Zeit, mehr Papierkram und weniger Anerkennung. Eine Rechnung, die für die Schwestern nicht mehr aufging.
Ein erster Schritt Richtung Veränderung ging von Maggie aus. „Für mich stellte sich nach fünf Jahren die Frage: Bleibe ich oder gehe ich“, so die Gründerin. „Ich war glücklich mit meiner Arbeit, aber mit meinem Privatleben nicht. Ich bin oft wieder nach Hause gefahren, um Freunde zu treffen und zu reiten. Das war halt alles noch hier in Klein-Schwechten.“ Sie entschied sich, in die Heimat zurückzugehen. Begeisterung löste das bei ihren Schwestern nicht aus. „Ich habe geweint“, sagt Sandra. Heute lachen die Frauen darüber.
„Wir haben gesagt: Wir brauchen etwas, wo wir uns alle wohlfühlen und wo wir für die Leute da sein können. Also mussten wir unsere eigenen Chefinnen werden.“ — Margrit Schröder