Noch vor der Gründung im Sommer 2020 machten die Ingenieure von SMELA bei Events wie dem Investforum Pitch-Day und diversen Businessplan-Wettbewerben auf sich aufmerksam. Nicht nur ihre Kalkulation überzeugte – auch ihr Produkt: lineare, elektrische Antriebe.
Kleiner Effekt mit nachhaltiger Wirkung
Das Startup um den promovierten Ingenieur und Ideengeber Denis hat neuartige Komponenten für die Automatisierungsbranche entwickelt. Die sogenannten Aktuatoren bewegen sich geradlinig vor und zurück, sie können Objekte heben und senken. Auf den ersten Blick ein kleiner Effekt, der zweite enthüllt die große Wirkung. „Wir sorgen mit unseren Aktuatoren dafür, dass Alltagsgegenstände von der Zahnbürste bis zum Smartphone wirtschaftlicher und ökologischer hergestellt werden können“, so Benjamin.
Massenproduktionen stehen selten still, und oft sind es pneumatische Systeme, die eine entscheidende Rolle spielen, weil sie die linearen Bewegungen an Fließband und Maschine ausführen. Dabei ist Druckluft der Energieträger, der in den Anlagen bis zu 95 Prozent ungenutzt entweicht. Zusätzlich braucht Pneumatik durch eine komplexe Infrastruktur viel Platz und ist wartungsintensiv.
Die SMELA-Antriebe lösen alle drei Probleme auf einmal. Sie sind deutlich kleiner als bisherige Alternativen der Pneumatik und lassen sich leicht auch in bestehende Anlagen integrieren. Aufgrund ihrer effizienten Funktionsweise sparen sie Strom und hohe Kosten. Ein Hauptgewinn für die Industrie, da sind sich nicht nur die Gründer sicher: Auch die SMELA-Investor*innen der Mitteldeutschen Wohnwert GmbH glauben an die Kraft der neuen Antriebe.
Gut versorgt nach erster Finanzierungsrunde
Das Immobilienunternehmen aus Leipzig finanzierte das Startup Ende 2020 mit einem hohen sechsstelligen Betrag. Auch wenn dank des Rankings als Top-Startup andere, teilweise prominente Geldgeber*innen ebenfalls den Kontakt zu SMELA suchten: „Geht unser Plan auf, sind wir erst einmal gut versorgt“, sagt Benjamin.
Das Team investierte direkt in einen Umzug in größere Räumlichkeiten und die Einstellung weiterer Mitarbeiter*innen. Es läuft für SMELA. Grund genug zum Feiern? „Wir sind im Herzen Ingenieure und nehmen alles ganz pragmatisch. Wir haben die nächsten Ziele im Blick und die Vision im Kopf. Eigentlich wollen wir immer nur weitermachen“, sagt Benjamin und lacht.
Den Anfang für ihre Antriebe legten Denis, Oleksandr und Benjamin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Nicht als Studierende, sondern als wissenschaftliche Mitarbeiter. „Denis war zwischenzeitlich in der Industrie und kam mit diesem Gedanken zurück an die Uni“, erinnert sich Benjamin.
"Es ist relativ familiär – von der Startup-Szene bis zur Regierung. Man kennt sich. Ich glaube nicht, dass das in allen Bundesländern so intim abläuft.“ — Benjamin Horn
Tür an Tür zur Gründung
Denis und Oleksandr kannten sich bereits. Benjamin arbeitete im Büro direkt nebenan. Schon die räumliche Nähe brachte das Team zusammen. Dass Benjamin Wirtschaftsingenieurwesen studiert hatte, war genau die richtige Ergänzung für das Gründungsteam. „Am Anfang ließ sich die Entwicklung nebenbei ganz gut machen“, sagt Benjamin. „Irgendwann haben wir aber erkannt: Das reicht nicht. Man muss schon mehr Gas geben.“
Sicherer Job oder Risiko? Es gibt leichtere Momente im Leben. „An diesem frühen Zeitpunkt trifft man keine sichere Entscheidung, sondern eine nach Bauchgefühl“, so der Gründer. „Ich wollte mich in zehn Jahren nicht fragen müssen, ob es funktioniert hätte. Die anderen Jungs waren da schon längst in der Spur. Die wollten einfach nur vorankommen, so zielstrebig wie Entwickler halt sind.“
Pilotkunde macht das Puzzle komplett
Die Drei beantragen mit Hilfe des Transfer- und Gründerservices der Uni Magdeburg erfolgreich die Gründerstipendien EXIST und ego.-START. Ab da konzentrieren sie sich zu einhundert Prozent auf SMELA. Schritt für Schritt entsteht der Businessplan. Fachliche Unterstützung bekommt das Startup von Roberto Leidhold, ihrem damaligen Chef und Professor für elektrische Antriebssysteme. Der Investforum Startup-Service vermittelt die richtigen Kontakte; den Startup-Berater*innen aus Halle (Saale) gelingt es, das fehlende Puzzleteil aufzuspüren, indem sie eine Verbindung zum späteren Pilotkunden herstellen.
„Wir haben lange nach einem Testunternehmen gesucht. Es gab viele, die Interesse gezeigt oder ein Muster angefordert haben“, sagt Benjamin. Doch erst die Firma Gollmann aus Halle lässt sich auf eine Zusammenarbeit ein. Ihr Spezialgebiet: Kommissionierautomaten. Geräte, die Ware auf Knopfdruck aus einem Lagersystem an den Verkaufstresen befördern.
Zum Einsatz kommen die Gollmann-Automaten vor allem in Apotheken. Auf die Anforderungen der Maschinen passen SMELA ihre Aktuatoren seit Ende 2019 an. Gemeinsam mit Gollmann optimieren die Magdeburger Ingenieure ihre Antriebe immer weiter. „Wir wollten kein Produkt entwickeln, das keiner braucht. Bei Gollmann konnten wir aktiv mitgestalten und auf eine klare Anwendung hinarbeiten. Erst dann hat für uns wirklich alles Sinn gemacht.“
Gute Lage: Magdeburg
Es sind mittelständische Unternehmen wie Gollmann, die SMELA im Blick haben. „Mit ein paar Mittelständlern als Kunden hätte man einen konstanten Strom. Setzt man auf ein großes Unternehmen, ist man eventuell zu abhängig. Da versuchen wir, eine Balance zu schaffen. Aber bis dahin gibt es noch einige Sachen zu tun“, sagt Benjamin. Der Vertrieb soll ausgebaut werden. Auch für die Endmontage der Antriebe, die die Gründer aktuell noch selbst übernehmen, wollen sie Verstärkung einstellen. Den Firmensitz an einen anderen Standort zu verlegen, steht bei allen kommenden Veränderungen nicht auf dem Plan.
„Viele Kunden und Zulieferer sitzen im Raum Stuttgart“, so der Magdeburger. „Das hätte sich schon gelohnt. Aber wir haben hier viel angenehmere Bedingungen: superniedrige Kosten und eine gute Lage.“ In eine Richtung grenzt der familiäre Ortsteil Stadtfeld, in der anderen wird es industrieller. Auch zum Bahnhof ist es nicht weit. Außerdem habe man die Universität und den sehr engen Draht zum Lehrstuhl für elektrische Antriebssysteme. Ein großer Vorteil in Sachen Personalakquise. „Die jungen Ingenieure sind offenbar recht interessiert an Startups. Nicht alle wollen in die Großindustrie. Das hat uns selbst überrascht und gefreut.“
Ausschlaggebend für die Entscheidung, in Magdeburg zu bleiben, war jedoch die Infrastruktur, die das Gründer-Team bereits nutzen konnte. „Wir haben zwei Förderungen erhalten und viel Zuspruch. Es ist relativ familiär – von der Startup-Szene bis zur Regierung. Man kennt sich. Ich glaube nicht, dass das in allen Bundesländern so intim abläuft“, sagt Benjamin. „Hinzu kommt bei mir natürlich eine Verbundenheit. Ich komme aus der Region. Meine Familie ist hier.“
Sollte der Plan aufgehen, trägt sich SMELA in zwei, drei Jahren allein von Umsätzen. Bis dahin wollen die Männer hinter den neuen Antrieben jedoch vor allem eins: Gas geben.
Veröffentlicht am 30. März 2021
Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow