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Kaffeemänner Aschersleben: Genussoffensive ganz ohne Sahnetorte

Dominik Rider und Thomas Schatz kannten sich nicht, bevor sie in der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts eine Rösterei gründen wollten. Wie ihre Liebe zu gutem Kaffee sie zu Geschäftspartnern machte. 

Aschersleben. Filterkaffee kannte lange nur vier Sorten: mild, kräftig, klassisch oder entkoffeiniert. Für Dominik Rider und Thomas Schatz haben die so deklarierten Pakete aus dem Supermarkt wenig mit Qualität und Genuss zu tun. Ihre Mission: guter Kaffee für Sachsen-Anhalt. 

In Aschersleben haben sie 2020 die Kaffeemänner Rösterei gegründet, um hochwertigen Kaffee und das Wissen um die richtige Zubereitung unter die Menschen zu bringen. Thomas und Dominik veredeln die Bohnen selbst und entlocken ihnen mit ihrem Trommelröster Geschmacksnuancen von Ananas bis Schokolade. „Kaffee enthält zwischen 600 und 800 deklarierte Aromen“, sagt Thomas. „Wir sind die Veredler und wir versuchen das Bestmögliche aus der Bohne herauszuholen.“ 


Eintritt in die Feinschmecker-Charts

Der Geschmack sei in der Rohbohne verankert. Je nachdem, was für einen Kaffee sie kreieren wollen, kombinieren die Kaffeemänner die Aromen, rösten sie hell für etwas mehr Fruchtsäure und dunkel für einen Hauch von Schokolade und Nuss. Die beiden versichern: Alle ihre Mischungen schmeckten immer nach Kaffee. Und dass der was kann, haben die Kaffeemänner sogar schriftlich. 

Die Redaktion von Der Feinschmecker kürte ihre Rösterei im Dezember 2021 zur besten in Sachsen-Anhalt. Damit schaffte es das junge Unternehmen aus dem Stand in die Liste der „500 besten Cafés und Röster Deutschlands“ des Magazins. Die Urkunde hängt stolz neben der Auszeichnung in Gold, die sie von der Deutschen Röstergilde für ihren Espresso „Der Rabenschwarze“ erhalten haben.

Thomas und Dominik haben einen guten Start hingelegt. Das Geschäftsmodell geht auf – es ist eine Mischung aus Online-Shop, Seminaren, Werksverkauf und Kooperationen mit Unternehmen, für die die Röster eigene Kaffees kreieren. 


Zwei Gründer - eine Idee

„Unser Unternehmen wächst gedeihlich“, sagt Thomas. „Wir haben nach einem Jahr mehr Struktur und mehr Stress, aber der ist positiv.“ Für ihn war immer klar, dass die Kaffeemänner ein Erfolg werden. Dominik hingegen hat die Entwicklung überrascht: „Es läuft auf jeden Fall, und das besser als für mich geplant. Ich merke, dass es die richtige Entscheidung war, zu zweit zu starten.“ Dass es zur gemeinsamen Gründung kam, war keine Selbstverständlichkeit, denn die beiden kannten sich vorher gar nicht. 

„Wir wollen nicht nach ein oder zwei Jahren Tschüss sagen und gehen. Wir wollen das bis zur Rente machen.“ — Dominik Rider

Thomas kommt ursprünglich aus dem Vogtland in Sachsen und Dominik aus dem südlichen Teil des Sauerlands in Nordrhein-Westfalen. Dominik verliebte sich während des BWL-Studiums in Koblenz in das Angebot einer kleinen Rösterei in der Nachbarschaft und Thomas entdeckte seine Leidenschaft für Kaffee in der Gastronomie als Barista in Leipzig.

Beide eigneten sich immer mehr Wissen rund um den Kaffee an. Während Dominik erste Röstversuche mit einer Pfanne am heimischen Herd unternahm, brachte das Interesse an der weltweiten Kaffeekultur Thomas nach Neuseeland. Beide Männer machten eine Ausbildung zum Röster, beide kamen aus familiären Gründen nach Aschersleben und beide hatten die Idee, eine Rösterei in der Stadt zu gründen. 

„Ich hatte schon eine Firma“, sagt Thomas. „Ich habe Kaffee-Seminare und Schulungen angeboten und als ‚Kaffeedealer‘ meinen Kaffee aus dem Kofferraum verkauft.“ Doch irgendwann war klar: Es braucht einen festen Standort, eine eigene Rösterei in Aschersleben. Thomas nahm Kontakt zur Investitionsbank Sachsen-Anhalt auf. Dort erlebte er eine Überraschung.

Man erklärte ihm, dass er mit dieser Idee nicht allein ist. Denn auch Dominik informierte sich etwa zeitgleich über Förderprogramme für seine geplante Rösterei in der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts. Die erste Reaktion des 34-Jährigen auf die Nachricht, dass es vor Ort noch einen Röster mit Gründungsabsichten gab: „Ich habe da jetzt nicht direkt eine Konkurrenz gesehen. Ich war eher interessiert. Was ist das für einer? Und dann kam so ein Tätowierter an“, sagt Dominik. Die Kaffeemänner lachen. Dass sich hier zwei gefunden haben, daran besteht kein Zweifel. 


Alles außer Kuchen

Doch bis zur Gründung sollte es noch etwas dauern. Nach einem ersten Telefonat begannen die beiden Kaffee auszutauschen, kosteten sich so an den Geschmack und das Wissen des anderen heran. Nach etwa einem halben Jahr waren sie sich sicher, dass sie die gleichen Visionen von einer Rösterei teilen.

Sie wollten eine Manufaktur mit offenem Werkstattcharakter, legten beide Wert auf den direkten Handel mit Kaffeebauern und -bäuerinnen. Respekt für Kaffee beginnt für die Gründer nämlich bereits beim Anbau und im fairen Umgang mit den Produzent*innen. Die beiden waren sich auch einig, was sie nicht wollen: Kaffee und Kuchen anbieten. 

„Gastronomie ist ein eigenständiger Mikrokosmos, genau wie eine Rösterei“, sagt Thomas. „Wenn man sich richtig mit Kaffee beschäftigt, mit den Anbauländern, den Rohbohnen und dem Rösten, dann ist das so komplex, dass man nebenbei nicht noch Schwarzwälder Kirschtorte servieren kann.“

Was sie noch zu guten Geschäftspartnern macht? „Thomas kann reden. Er ist der perfekte Vertriebler in meinen Augen“, sagt Dominik über seinen Mitgründer. „Dominik ist das Pendant zu mir. Er ist oft der Ruhepol. Ihn macht vieles aus, was ich nicht kann. Wir ergänzen uns wie in einer Art beruflichen Ehe“, sagt Thomas.

Bei der Gründung selbst holten sich das Duo Unterstützung von einer Beratungsfirma aus Halle (Saale). Den Businessplan gaben sie in die Hände von Expert*innen, um sich vollkommen auf die Ausstattung ihrer Rösterei kümmern zu können. Dank guter Kontakte in Aschersleben sei auch die Suche nach einer entsprechenden Immobilie kein Problem gewesen.

Im Keller einer ehemaligen Seifenfabrik, durch die die Stadtmauer von Aschersleben verläuft, fanden Thomas und Dominik ihren Firmensitz mit Wiedererkennungswert. „Eigentlich war hier nur eine Lagerfläche, aber vor meinem inneren Auge ist unser Kaffeekeller schon bei der ersten Besichtigung entstanden“, sagt Thomas. „Die Pächter sind super und haben uns dabei unterstützt, die Räume nach unseren Bedürfnissen auszubauen.“ 


Außen Kunst, innen Geschmack

Im September 2020 öffneten sie das erste Mal die Tür zu ihrer Manufaktur. Aschersleben ließ sich nicht lange bitten. Längst habe die Rösterei einen festen Kundenstamm aufgebaut, so die Gründer. Die Gastronomie in der Region setze genauso auf die Produkte aus dem Kaffeekeller wie Kooperationspartner, für die Thomas und Dominik eigene Kaffees entwickeln. Einzelhändler lassen sich regelmäßig mit Kaffee aus Aschersleben beliefern und auch junge Hipster mit einer Liebe für handgemachte Spezialitäten oder ältere Menschen schauen vorbei. 

Was ihre Produkte betrifft, kennt die Kreativität der Kaffeemänner keine Grenzen. Kaffeeschokolade, Kaffee-Gin oder Kaffee, der in einem Weinfass gelagert wurde – die Unternehmer wissen, mit welchen Ideen sie medial auf sich aufmerksam machen und ihre Kund*innen begeistern können. Auch optisch handelt es sich bei ihrer Produktpalette um eine Reihe von Genussmitteln. Befreundete Künstler*innen verwandeln die Etiketten ihrer Spezialkaffees regelmäßig in kleine Kunstwerke. 

„Viele Röstereien legen da keinen Wert drauf. Da sieht halt jede Tüte gleich aus und ist nur anders beschrieben“, sagt Thomas. „Ich fand es irgendwann mega-langweilig. Ich freue mich, wenn sich die coolen Inhalte, die wir kreieren, auch auf den Verpackungen widerspiegeln.“ Viele Kund*innen würden sich mit den verschiedenen Designs identifizieren und ihren Kaffee nach Etikett kaufen. Einige hätten sogar mit dem Sammeln der Tüten angefangen. 


Vorsätze für 2022: Mehr Platz, mehr Mitarbeitende

Für Nachschub werden die Kaffeemänner sorgen, das ist klar. Um die stetig steigende Nachfrage bedienen zu können, stehen alle Zeichen auf Wachstum. „Wir müssen auf jeden Fall unser Lager vergrößern“, sagt Dominik. „Wir bekommen heute noch mal zwei Paletten Rohkaffee und überlegen noch, wo wir die hinstellen.“ Im kommenden Jahr wollen die Gründer auch nach Mitarbeiter*innen suchen, die bei der Produktion unterstützen. Das seien die nächsten Ziele. 

Die Kaffeemänner fühlen sich wohl – in Aschersleben und als Gründer. Sie seien mit offenen Armen empfangen worden und können sich ein Zurück ins Angestelltenverhältnis bei der Bank oder in der Gastronomie nicht mehr vorstellen. Die Flexibilität, die sie sich mit ihrem Geschäftsmodell geschaffen haben, sei für die beiden Familienväter einfach „grandios“. Sie wollen in der Kleinstadt langfristig etwas „Cooles“ auf die Beine stellen. „Wir wollen nicht nach ein oder zwei Jahren Tschüss sagen und gehen“, sagt Dominik. „Wir wollen das bis zur Rente machen.“ 

Veröffentlicht am 15. Dezember 2021

Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow