Das Alleinstellungsmerkmal des Startups: ein natürliches, zum Patent angemeldetes Verfahren, mit dem Frisches lange frisch bleibt. Geschmack kommt beim Lieblingswasser durch Früchte und Kräuter in die Flasche. Ein Mix, der ohne Behandlung nach drei Tagen nicht mehr genießbar wäre. Das Wasser der Frischemanufaktur hält drei Monate. Damit ist der Trend „Infused Water“ erstmals nicht nur zu Hause machbar, sondern auch für den Einzelhandel spannend.
Mit dem Obstsalat fing es an
„Wir haben unser Wasser als Erstes in einem Geschäft am Flughafen Frankfurt getestet“, erinnert sich Jenny. Bereits nach kurzer Zeit habe der Laden nachbestellt. Auch Rewe und Edeka in Halle an der Saale ordern innerhalb weniger Tage mehr Flaschen. „Das waren wir nicht gewohnt. Sonst mussten wir den Leuten immer hinterhertelefonieren. In dem Moment dachten wir zum ersten Mal: Es funktioniert.“
Da ist der haltbare Obstsalat der Frischemanufaktur schon Geschichte. An ihm scheitert das Food-Startup beinahe, mit ihm fängt aber auch alles an. Nach dem BWL-Studium schreibt Jenny ihre Doktorarbeit im Bereich Marketing und arbeitet im Anschluss fünf Jahre bei Rewe in der internen Beratung. Dort würde sie vielleicht auch heute noch die Karriereleiter hinaufsteigen, wenn sie nicht auf ein Problem gestoßen wäre, für das sie dringend eine Lösung finden will: Verschwendung. Täglich beobachtet sie, wie das morgens frisch geschnittene Obst und Gemüse abends in den Tonnen der Märkte landet.
Jenny recherchiert. In ihrer Freizeit studiert sie die verschiedenen Methoden der natürlichen Konservierung. Zusammen mit ihrer Mitgründerin, einer Ernährungswissenschaftlerin, kombiniert sie schließlich bekannte Verfahren, verbessert sie – und entwickelt einen Obstsalat, der eine Woche lang knackig und frisch bleibt. Warum sie sich für dieses Produkt entschieden hat? „Ich esse einfach lieber Obstsalat als Salat“, sagt Jenny und lacht.
Von der Münchener Einraumwohnung nach Mitteldeutschland
Eine Unternehmensgründung hatte sie während des Studiums und auch danach gar nicht in Betracht gezogen. Im Gegensatz zu ihren Eltern, die trotz der bisherigen Erfolge immer noch ein wenig skeptisch sind, glaubt Jenny jedoch an ihre Lösung des Verschwendungsproblems. Über vier Jahre feilt sie an der Idee. „Ich habe mir irgendwann gedacht, wenn es kein anderer macht, dann mache ich es jetzt.“ Im Februar 2017 geht sie aufs Ganze und kündigt. Im Juni darauf meldet sie die Frischemanufaktur als UG an.
Die noch junge Münchener Firma durchläuft daraufhin verschiedene Unterstützungsprogramme für Startups, wandert von Jennys Einraumwohnung durch die Co-Working-Spaces der Stadt und begeistert erste Kund*innen für ihr Produkt. Doch die Aussicht auf eine große Investition führt sie nach Mitteldeutschland.
„Es war viel einfacher als in München, gute Leute zu finden.“ - Jenny Müller, Die Frischemanufaktur (Halle/Saale)
Frischemanufaktur wird Startup Gladiator
Die bmp Ventures AG, ein erfahrener Venture-Capital-Investor, wird auf das Unternehmen aufmerksam. Das Angebot: 350.000 Euro aus dem Programm Startup Gladiator für den Launch der länger frischen Obstsalate im Einzelhandel. Die Bedingung: Ein Firmenumzug nach Sachsen-Anhalt, denn von dort kommt das Geld. Genauer gesagt aus dem Risikokapitalfonds der IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt. „Innerlich habe ich gedacht: Auf gar keinen Fall“, gesteht Jenny lachend. Sie hatte nach ihrer Zeit bei Rewe in Köln gerade erst wieder ein Gefühl von Zuhause in München entwickelt. „Im Gespräch mit bmp sagte ich, ich würde es mir überlegen. Danach habe ich erst einmal im Internet gesucht, wo die Grenzen des Bundeslandes verlaufen.“
Beim Blick auf die Karte werden jedoch Erinnerungen wach. Die Startup-Gründerin hat in Leipzig promoviert. Dort wäre sie auch gerne geblieben, doch sie fand in der Stadt keinen Job, der sie gereizt hätte. Sie hatte noch immer Freunde in Leipzig – für Jenny ein entscheidendes Argument. Daher konnte sie sich einen Umzug in die Nähe der sächsischen Großstadt vorstellen. So kam sie nach Halle.
Erstes Produkt lässt Kund*innen kalt
Dort fand sie mit ihrer Frischemanufaktur noch während der Verhandlungen um die Finanzierung im Technologiepark Weinberg Campus einen neuen Firmensitz an der Saale. Allein: Der Obstsalat entwickelte sich in den Supermärkten zum Ladenhüter. Die frische Idee, die Investor*innen und Einkäufer*innen begeisterte, ließ Kund*innen kalt. Ein harter Schlag, der auch die finanzielle Förderung ins Wanken brachte. Erleichterung brachte ein Gespräch mit den Gründern eines anderen Startups aus der Region: „Gott sei Dank haben uns die Leute von Baby Sweets vom Mikromezzaninfonds-Deutschland erzählt. Das hat uns gerettet“, sagt Jenny. Die stille Beteiligung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt verhinderte Schlimmeres.
Aus dem Fail, dem Scheitern, macht die Gründerin kein Geheimnis. Im Gegenteil, es ist Teil ihrer Vermarktung geworden. Regelmäßig berichtet Jenny auf den Social-Media-Kanälen der Frischemanufaktur von kleineren und größeren Missgeschicken im Business-Alltag. „Wir haben einfach für uns entschieden, dass wir ein ehrliches Produkt haben und auch ein ehrliches Startup sein wollen“, sagt Jenny. „Es gibt wenige, die einfach erzählen, was auch nicht funktioniert. Solange man aus jedem Fehler etwas lernt, finde ich es wieder okay.“
Pro und Contra Sachsen-Anhalt
Aktuell läuft es mit ihrem Lieblingswasser, sodass sich die Frischemanufaktur nach einer eigenen und größeren Produktionsstätte im Umland von Halle umschaut. „Bei uns ist alles gut“, sagt Jenny. So gut, dass sogar ihre Mutter langsam an den Erfolg glaubt. Die Entscheidung, nach Sachsen-Anhalt zu gehen, hat die Unternehmerin nicht bereut. „Es war viel einfacher als in München, gute Leute zu finden“, so Jenny. In Bayern sei die Konkurrenz gegenüber großen Firmen und Gehältern zu hoch. Auf eine Ausschreibung für einen Studentenjob habe sie in eineinhalb Jahren Suche eine Bewerbung erhalten. An der Saale ist das Team der Frischemanufaktur mittlerweile auf acht Mitglieder gewachsen. „Auch die ganzen Förderungen, die wir hier in Sachsen-Anhalt bekommen, gibts in Bayern nicht. Die Programm-Dichte und auch Gelder, die dann am Ende fließen, das ist schon richtig krass“, sagt die Wahl-Hallenserin.
Bei Problemen kann es sogar sein, dass sich der Wirtschaftsminister persönlich kümmert. Als zu Beginn der Corona-Krise die Hilfsprogramme für Startups in Sachsen-Anhalt ausbleiben, schreibt Jenny an Armin Willingmann (SPD). Er antwortet und bringt das Thema auf die Agenda.
„In meinem Kopf ist immer Startup“
Doch nicht alles ist in Sachsen-Anhalt einfacher geworden für die Frischemanufaktur. Das Netzwerk aus Startups sei überschaubar. „Ich habe mit Hülsenreich ein Food-Startup in der Nähe, mit dem ich mich austauschen kann. In München habe ich aber fünf bis zehn“, sagt Jenny. Dank digitaler Kommunikationswege muss sie in Halle jedoch auf die Erfahrung der anderen nicht verzichten.
Jenny ist eine Macherin. Sie brennt für ihre Frischemanufaktur. Den Schritt in die Selbstständigkeit bereut sie nicht. „In Summe macht mir fast alles Spaß. Ich meine klar, Buchhaltung ist nicht so mein Lieblingsding“, sagt sie und lacht. „In meinem Kopf ist immer Startup.“
Ihr Traum: eine eigene Produktion mit angeschlossener Kräuter-Farm in Sachsen-Anhalt. „Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum die Frischemanufaktur noch mal umziehen sollte.“
Veröffentlicht am 11. Februar 2021
Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow