Im Dschungel der Fachbegriffe?

HIER. ist der Kompass.

Darauf kommt es in der Pandemie an

Gründen in der Krise

Wer grundsätzlich Angst hat, vorsichtig ist, hat beim Gründen schlechte Karten. Eine gewisse Risikobereitschaft gehört zu den Eigenschaften, die du als Gründer*in mitbringen solltest. Doch wie entwickelt sich das Gründungsverhalten, wenn das Risiko aufgrund einer noch nie dagewesenen Pandemie gar nicht abschätzbar ist?
 

Auch wenn es bislang nur Indizien sind und die Zahlen für 2020 noch nicht abschließend vorliegen: Sachsen-Anhalt scheint sich vom Gründen vorerst nicht abhalten zu lassen. Bei der IHK Halle-Dessau und der Handwerkskammer Magdeburg (HWK) zeigt sich eine gleichbleibende, im Handwerk sogar eine steigende Nachfrage in der Gründungsberatung. 


Gründungsberatung auf Vorjahresniveau

„Einerseits zeigt die aktuelle Lage die große Betroffenheit einzelner Branchen und lässt grundsätzlich Gründungsgeneigte daher zweimal über den Schritt in die Selbstständigkeit nachdenken“, sagt Dorit Zieler, Abteilungsleiterin Betriebsberatung/Unternehmensförderung der HWK Magdeburg. „Andererseits ist auch der Trend auszumachen, dass durch die Kurzarbeit in der Industrie viele Angestellte nun konkreter über länger anvisierte Gründungsideen nachdenken. Aufgrund der nicht vollständig absehbaren Folgen für ihren Job nehmen sie das Schicksal jetzt selbst in die Hand.“ 

Im Zuständigkeitsbereich der IHK Halle ist die Anzahl der Termine im Vorjahresvergleich ebenfalls in etwa gleichgeblieben. „Auch bei den Branchen gibt es noch keine wesentlichen Unterschiede. Am häufigsten wird die Gründungsberatung immer noch im Bereich Handel, Dienstleistung und Gastronomie nachgefragt. Wobei es im Gastrogewerbe einen leichten Rückgang gibt“, sagt Jörg Prochner, Leiter des Service-Centers Starthilfe und Unternehmensförderung. 


Verhaltene Digitalisierung im Vorgründungsbereich

Eine verstärkte Digitalisierung der geplanten Geschäftsideen aufgrund von Kontaktbeschränkungen und Lockdowns sei im Vorgründungsbereich eher verhalten zu beobachten, so der Experte. Die Themen in der Beratung sind indes die gleichen wie vor der Pandemie: Anmeldeformalitäten, Rechtsform, Fördermittel, Marktposition, Steuern und Abgaben oder der Businessplan. Doch als Gründer*in in dieser Krise ist eine gute Planung wichtiger denn je. 


5 Dinge, auf die es nun ankommt:

  1. Nimm dir Zeit
    Nichts überstürzen! Überlege dir ganz genau, ob jetzt der richtige Zeitpunkt zum Gründen ist. Eine gute Vorbereitung und strategische Weitsicht sind jetzt alles. Entwickle ein Geschäftsmodell und interne Strukturen, mit denen du flexibel bist.
     
  2. Kund*innen sind König*innen
    Der Nutzen für Kund*innen ist immer das Wichtigste. Je höher der Nutzen, desto größer die Erfolgschancen. Frage dich, wie du in der Krise und der Zeit danach einen echten Mehrwert für deine Zielgruppe schaffen kannst?
     
  3. Zahlen zählen
    Deine betriebswirtschaftliche Planrechnung sollte stimmen, wenn du auf die Unterstützung von Banken oder Fördermittelgeber*innen setzt. Und auch ohne Hilfe ist eine korrekte Preiskalkulation Gold wert. Schätze deine Umsätze maximal realistisch ein.
     
  4. Flüssig bleiben
    Die Liquidität ist in einem Unternehmen das A und O. Rechnungen, Gehälter, Versicherungen und vieles mehr, muss bezahlt werden können. Stelle sicher, dass deine Finanzierungsmöglichkeiten durchdacht sind und du langfristig liquide bleibst.
     
  5. Sicherheit geht vor
    Auch wenn deine Finanzierung steht, solltest du insbesondere in Krisenzeiten über einen Eigenkapital-Puffer verfügen. Sicher ist sicher. 

Nur bei Fragen der Finanzierung beobachtet man in der IHK Halle einen Trend. „Auffällig ist, dass die Bereitschaft mehr Kapital aus eigenen Mitteln zu nutzen, leicht gestiegen ist. Schlussfolgerungen lassen sich daraus noch nicht genau ziehen“, sagt Jörg Prochner. 

Corona bremst Gründungen aus

Bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) sind die Anträge auf Gründungsunterstützung jedenfalls zurückgegangen. Dort resümiert Hergen Tantzen, zuständig für den Bereich Förderberatung Existenzgründer, das Jahr 2020 bereits schärfer. „Die Corona-Krise hat die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt hart getroffen und Gründungen zunächst ausgebremst.“ 

Ein Blick auf die Statistik der Förderbank des Landes zeige, dass die Auswirkungen der Pandemie auch die Gründerszene stark belasten. „Antrags- und Bewilligungszahlen verzeichnen einen Rückgang. Bis Ende November konnten nur halb so viele Gründungsdarlehen wie noch im Vorjahr über die IB ausgereicht werden. Das Verhältnis Antragszahl zu Bewilligungszahl blieb dabei fast konstant“, sagt Hergen Tantzen. 

Gründe für einen Rückgang der Gründungsaktivitäten gebe es auch in Sachen Bürokratie, so der Finanz-Experte. „Der Kontakt zu Ämtern und Behörden sowie Banken und Versicherungen ist nur eingeschränkt möglich. Der Aufbau von Netzwerken und die Einbindung weiterer Partner sind ebenso beeinträchtigt. Hierfür braucht es Lösungen im Hier und Jetzt.“ 


Beratung auch im Lockdown

Die IB ist auch im Lockdown für ihre Kund*innen da. Telefonische Beratungen, Videotelefonate oder eine Beteiligung an Online-Angeboten der Hochschulen und Netzwerkpartner*innen machen es möglich. Und doch sieht Hergen Tantzen, insbesondere die Startups an den Hochschulen in einer schwierigen Situation. „Gemeinsames Forschen oder auch die Nutzung von Inkubatoren gestalten sich in Zeiten von Corona schwierig“, so der Berater. „Überraschenderweise vernehmen wir dagegen positive Signale aus den Landkreisen. Hier steigt die Nachfrage nach Unterstützungsmöglichkeiten im Gründerbereich. Wer seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, zieht auch eine Selbstständigkeit in Betracht.“


Kommunikation und Online-Handel gefragt

Als Förderbank hat die IB ein Interesse daran vielversprechende Unternehmungen zu unterstützen. Zu den Gründungsvorhaben mit guten Aussichten auf eine Finanzierung gehören laut Hergen Tantzen Geschäftsideen, die Kommunikation zwischen den Menschen verbessern. „Neue kostengünstige und technisch einfache Kommunikationsmöglichkeiten sind in Zeiten von Corona gefragt. Darüber hinaus ergeben sich Erfolg versprechende Chancen für den Online-Handel und digitale Entertainmentangebote (Fitness, Streamingdienste, Gaming, Apps).“


Tipp: Was du jetzt vor dem Bankgespräch beachten solltest!

Businesspläne, die vor der Pandemie erstellt wurden, müssen überdacht und an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Der Businessplan sollte noch detaillierter die Gründungsperson/ das Gründungsteam und dessen/deren Motivation beleuchten. Die Geschäftsidee und das Geschäftsmodell müssen ausführlicher dargestellt werden und mit den Planzahlen korrespondieren. 

Die Einschätzung der Persönlichkeit der Gründerin oder des Gründers ist, über den Businessplan hinaus, das wesentliche Kriterium zur Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Gründung. Auch hier will die Investitionsbank Sachsen-Anhalt digitale Formate künftig umfassender nutzen.

Autorin: Anne Breitsprecher