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Omazing: Gekommen, um zu bleiben

Alle anderen verließen Bernburg nach dem Studium – Lukas Petereit und Johannes Penzel sind geblieben und bringen die Region in Sachen Digitalisierung voran.  

Bernburg. Vor der Corona-Pandemie waren Lukas Petereit und Johannes Penzel vor allem eins: Aufklärer. Mit ihrer Online-Marketing-Agentur Omazing zogen die beiden Gründer 2018 aus, um Bernburg zu digitalisieren. In der Anfangsphase leisteten sie Überzeugungsarbeit. Viele der kleinen und mittelständischen Betriebe aus der Kreisstadt hätten Websites, Facebook & Co stiefmütterlich behandelt oder komplett außer Acht gelassen, so die Vermarktungs-Experten. Mittlerweile kommen die Anfragen von allein. 
 

„Das Bewusstsein hat sich auf jeden Fall geändert“, sagt Johannes. „Die Unternehmen wissen jetzt, dass sie online gefunden werden müssen, um auch im Lockdown mit Kunden in Kontakt zu kommen.“ Wie in nahezu allen Regionen und Lebensbereichen hinterlässt das Corona-Virus auch in der Wirtschaft im Salzlandkreis seine Spuren. „Die Pandemie zeigt sehr stark, welche Firmen überleben werden“, sagt Lukas. Der 29-Jährige ist jedoch überzeugt: „Wer sich jetzt engagiert und neue, digitale Wege geht, kann die Situation positiv nutzen und dadurch schnell etwas aufbauen.“ 


Für den Master nach Sachsen-Anhalt und in die Platte 

Etwas aufgebaut haben auch Lukas und Johannes. Für das Studium kamen sie 2016 nach Bernburg. Lukas aus der Nähe von Frankfurt am Main. Johannes aus Mittelfranken, wie er stolz und mit einem Lachen betont. Der erste Eindruck: ein Kulturschock. In einem Plattenbau hatte vorher noch keiner von ihnen gewohnt, auch die fehlende Kneipen-Meile habe man anfangs vermisst. Was für den Ortswechsel sprach? „Der Master-Studiengang Online-Kommunikation an der Hochschule Anhalt“, sagt der 31-jährige Johannes. „Es gibt in Deutschland kaum etwas Vergleichbares, außer an privaten Hochschulen. Da zahlt man dann aber 800 Euro pro Semester.“  

Auch die anderen Student*innen kamen aus allen Teilen Deutschlands. Sie zogen zum Studieren nach Bernburg und waren danach ganz schnell wieder weg. Lukas und Johannes sind geblieben, und das aus gutem Grund. „Wir haben hier ein Riesenpotenzial gesehen“, sagt Lukas. „Die nächsten Agenturen mit einem vergleichbaren Angebot gibt es erst in Leipzig, Halle oder Magdeburg.


Gründen im Praktikumssemester 

Das Studium war praxisnah. So praxisnah, dass sie bei Projekten nicht nur erste Kontakte in die regionale Wirtschaft knüpfen konnten, sondern auch die Gründung im Rahmen eines Praktikumssemesters stattfand. „Wir hatten viele Freiheiten im Studium und vor allem die Unterstützung unserer Professoren, die es cool fanden, dass wir gründen“, sagt Lukas. „Wir haben das Praktikum als Testphase gesehen.“  

Johannes sammelte schon während seines Bachelor-Studiums im Bereich E-Commerce erste Erfahrungen mit der Selbstständigkeit. Er ist bei Omazing für den technischen Part verantwortlich. Lukas brachte BWL-Kenntnisse und einen Vermarktungs-Hintergrund mit ins Unternehmen und ist zuständig für das Kreative.   
 

„Wir versuchen, modernes Arbeiten zu gestalten und damit eine Vorbildrolle in der Region einzunehmen.“ — Lukas Petereit 

Hände schütteln für den Erfolg 

Erste Anlaufstelle für den gemeinsamen Weg als Agentur: das Gründerzentrum der Hochschule Anhalt. Für grundlegende Fragen wie „Wie gründe ich überhaupt eine GbR?“ sei die Beratung hilfreich gewesen. In der Praxis hieß es dann aber vor allem: Zugang zu den Menschen finden, sich vernetzen und Hände schütteln. „Es gab verschiedene Leute in Bernburg, die super begeistert waren, dass hier etwas Neues passiert“, sagt Lukas.  

Die Fürsprecher*innen sorgten für neue Kontakte, die Lokalzeitung berichtete und dann lief die Sache fast wie von selbst. Sie bekamen Anfragen, unter anderem von der Salzlandsparkasse und den Arzneimittelhersteller*innen von der Serumwerk AG. „Das war wichtig. Die größten Unternehmen, die hier in Bernburg sitzen, sind mittlerweile unsere Kunden und schätzen es, dass es Ansprechpartner vor Ort gibt.“

Dabei kommt es den Agentur-Gründern nicht auf große Namen an. Was zählt, ist das Engagement für den Salzlandkreis. Vereine und Einzelunternehmer*innen, die eine Website gestalten wollen oder Tipps für Facebook, Instagram und Co benötigen, sind bei Omazing ebenfalls richtig. Angst vor astronomischen Preisen sei unberechtigt, versichern Lukas und Johannes.  

Zu den Projekten, die für sie „immens wichtig“ sind, zählen die beiden unter anderem das Stadtportal „Bernburg erleben“, für das sie die Inhalte erstellen und die Social-Media-Profile betreuen. Ein anderes Beispiel: die Online-Plattform „Bernburg kauft lokal“, die zu Beginn der Pandemie entstanden ist, um den Einzelhandel der Stadt online sichtbar zu machen. Hier sind Konzept, Website und Design made by Omazing. 

Pizza, Jobs und Potenzial 

Und auch mit eigenen Ideen möchten sie die Region und Sachsen-Anhalt voranbringen. Die Agentur-Betreiber sind die Initiatoren der Eventreihe „Pitch und Pizza“, die im Projektraum COI, dem Co-Working-Space der Hochschule, Premiere feierte. „Wir möchten Startups oder allgemein Leute mit neuen Ideen ermutigen und ihnen zeigen: Ihr seid hier nicht allein“, so Lukas.   

Was das Stadtbild betrifft, habe sich seit ihrem Studium vieles verändert. In Bernburg wurde saniert und investiert. Das Potenzial sei sichtbarer geworden. Auf der Saale kann man Kanufahren, es gibt mindestens „tausend Radwege“, scherzen die Gründer. Eine positive Entwicklung, zu der sie ihren Teil beitragen wollen, unter anderem als Arbeitgeber. 

„Wir haben von Anfang an gesagt, wir wollen unseren Nachwuchs selbst heranziehen, auch weil es schwierig ist, Fachkräfte nach Bernburg zu holen“, sagt Johannes. „Deswegen haben wir früh angefangen, auszubilden.“ Auf ihre Ausschreibung auf der Suche nach angehenden Kaufleuten für Marketing-Kommunikation erhielten sie eine Flut von Bewerbungen. Groß sei die Lust an neuen Berufen im digitalen Bereich, klein das Angebot in der Region. „Für uns ist es natürlich auch eine gewisse Bestätigung, wenn wir so einen Bewerbungsrücklauf bekommen“, sagt Lukas. „Wir versuchen, modernes Arbeiten zu gestalten und damit eine Vorbildrolle in der Region einzunehmen.“ Homeoffice und flexibles Arbeiten sind bei Omazing so selbstverständlich wie das Du untereinander oder eine Runde FIFA mit den Chefs an der Spiele-Konsole.


Gesicht zeigen in der Fußgängerzone 

2018 ist die Agentur von Lukas’ Wohnung in ein ehemaliges Sportgeschäft gezogen – mitten in der Fußgängerzone. Die Stadt übernahm für zwei Jahre einen Teil der Fläche und der Miete. Nun übernimmt Omazing den Laden ganz. Lukas und Johannes ist es wichtig, in Bernburg Gesicht zu zeigen. Über allem steht: „Wir wollen wachsen. Wir wollen hierbleiben. Wir wollen uns etablieren“, sagt Lukas.  

Die Testphase haben die beiden Gründer längst erfolgreich beendet. Bernburgs einzige Online-Marketing-Agentur ist immer noch da. „Ich würde es schön finden, wenn wir in fünf oder zehn Jahren zurückgucken und es dann wirklich geschafft haben, das digitale Niveau und die Region von anderen Regionen abzuheben“, sagt Lukas. Was es dazu seiner Meinung nach braucht? 

„Das richtige Mindset.“ Unternehmen müssten verstehen, wie wichtig digitale Visitenkarten und digitale Geschäftsmodelle sind. „Es geht nicht nur um Online-Shops oder E-Commerce. Auch für ein Bauunternehmen macht es zum Beispiel Sinn, seine Stammkunden mit einem Newsletter über die neuen Solarpanels für das Dach zu informieren.“ Auch das sei wie so vieles ein Prozess, den sie in Sachsen-Anhalt mitgestalten wollen. 

Veröffentlicht am 20. Mai 2021

Autorin: Anne Breitsprecher
Fotografin: Carolin Krekow